Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
Tür hinaus, wo mehrere Pendlerbusse bereitstanden.
Als der letzte Flüchtling zur Tür eilte, rief jemand zu Anne hinüber: » Ihre letzte Chance, Lady! «
Anne schüttelte den Kopf.
Der Mann winkte ihr zu und schloss die Tür. Anne seufzte. Sie empfand fast Erleichterung. Die Atmosphäre, die zuvor gespannt und erdrückend gewesen war, wurde nun friedlich. Der Raum kam ihr ohne die anderen Menschen jetzt viel größer vor.
» Warum sind Sie nicht mitgegangen? «
Anne sah, dass der Geistliche ebenfalls geblieben war.
» Es sah mir alles zu einfach aus. «
» Da haben Sie vielleicht recht. Ich glaube, ich habe denen auch nicht so richtig getraut. «
» Nein « , sagte Anne. » Die anderen hatten keine Wahl. Die mussten ihnen trauen. Ich aber habe eine Wahl. Es sah mir alles zu einfach aus. «
Der Geistliche nickte. Er kam näher, nahm mit einem schweren Seufzer auf einer Pritsche Platz und betastete vorsichtig die Schramme in seinem Gesicht. Anne konnte ihn in Ruhe betrachten. Er war ein großer Mann mit kurzem weißem Wuschelhaar und einem verwitterten stoppelbärtigen Gesicht. Sie schätzte ihn auf Ende fünfzig.
» Und Sie? « , erkundigte sie sich. » Warum sind Sie nicht mitgegangen? «
Der Geistliche zuckte die Achseln. » Lang und schwer ist der Weg, der aus der Hölle ans Licht führt. – Das ist eine schwülstige Art, Ihnen zu sagen, dass ich mit Ihnen einer Meinung bin. «
» Der Spruch gefällt mir. Stammt er aus der Bibel? «
» Nein. Das verlorene Paradies. Von John Milton. «
Sie stellten sich vor und blieben gleich beim Vornamen. Er hieß Paul.
Der Bradley-Kommandant kam zu ihnen.
» Ich glaube, unser Fahrzug ist wieder in Schuss « , sagte er. » Wenn Sie nichts dagegen haben, wollen wir es heute anwerfen und ein bisschen herumfahren. Wir machen das Werkstatttor ein Stück auf, damit Luft reinkommt, aber es kann laut werden und auch übel riechen. «
» Geht in Ordnung « , sagte Paul und schlenderte von dannen, um sich die aufgereihten Toten anzuschauen, die noch immer in Leichensäcken darauf warteten, dass sie abtransportiert wurden. Dazu würde es aber nicht mehr kommen.
» Warum waren Sie so gleichgültig, als man den Mann hinausgeschleift und kaltblütig ermordet hat, Sergeant? Sie wussten doch, dass er nicht infiziert war. «
Der Soldat zuckte die Achseln. » Ich könnte Ihnen ein Dutzend Gründe nennen, Ma’am. Ich möchte Ihnen eine Frage stellen: Warum waren Sie bereit, Ihr Leben zu riskieren, um ihm zu helfen? «
Anne fielen mehrere Gründe ein – der Mann war unschuldig, der Mord an ihm war unmoralisch, eine Gesellschaft wird danach bewertet, wie sie ihre Schwächsten verteidigt –, doch alle klangen irgendwie vorgeschoben und hohl. » Was hätte ich denn schon riskiert? « , schnaubte sie.
Sarge lächelte grimmig und nickte. » Das habe ich auch gedacht. Als es in Afghanistan echt übel wurde, gab es nur eine Möglichkeit durchzukommen: Die Vorstellung zu akzeptieren, dass man schon tot ist. «
» Lieber Gott « , sagte Anne und wich zurück.
» Die Menschen da draußen « , sagte Sarge und deutete zur Tür. » Die Infizierten. Sie sind eigentlich nichts anderes als lebende Tote. Aber wir? Wir sind die toten Lebenden. «
» Wie können Sie sagen, dass wir schon tot sind? « , sagte Anne. Schon der Gedanke ließ sie in Panik geraten. Sie dachte kurz darüber nach. » Wie konnten Sie es denken? Verändert es einen denn nicht? «
» Ja « , sagte Sarge. » Es verändert einen. Aber … « Er zuckte erneut die Achseln. » … man überlebt auch. «
» Wieso? «
» Wieso was? «
» Wieso sollte man überleben, wenn man nicht mehr man selber ist? «
» Warum ich? Warum Sie? Jemand muss doch leben, Ma’am. Jemand muss doch weitermachen. Mehr brauchen wir nicht zu wissen. Das ist auch alles, was wir je erfahren werden. Jemand muss leben, sonst hat die ganze Sache doch keinen Sinn. «
» Welche Sache? « , fragte Anne.
Sarge blinzelte überrascht. » Natürlich die menschliche Rasse. «
» Das ist aber ’ne große Verpflichtung. «
» Wenn wir sie nicht auf uns nehmen, können wir sie jetzt auch gleich gewinnen lassen und einen Schlussstrich ziehen. «
Sarge räusperte sich und erzählte Anne, er habe seine Leute ins Feld geführt, um eine nicht tödliche Waffe zu testen, und Funkmeldungen einer Art Katastrophe erhalten. Danach hatten seine Kameraden und er den Kontakt zum Militär verloren. Sie waren auf sich allein gestellt gewesen. Nun hatten sie sich
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