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Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Titel: Dead Beautiful - Deine Seele in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Woon
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sie im ersten Capittel auseinandergesezet. Es herrschet jedoch eine Außnahm. Stirbt ein Kind, so fliehet seine Seele den Körper. Doch unsere hergebrachte Lehr von Leben und Tod greiffet hier nicht ein. Das Kind stirbt nicht würcklich. Statt zu vergehen, wie es die Großjährigen tun, lieget der Körper desKindes schlafend, neun volle Täge lang. Am zehenten Tage steht es wieder auff, doch seine Seele hat es verlohren. Das Kind streyfft durch die Welt und suchet nach ihr. Es ist meine ernsthaffte Annahm, daß die Natur so der Jugend ein ander Gelegenheit schencket zu leben. Diese Kinder nennen wir non mortuus , oder untodt .
    Non mortuus. Das war das Wort aus Cassandras Akte. Sollte das bedeuten, dass sie untot war? Ich überflog die Seite. Neben dem Text gab es weitere Illustrationen, diesmal von Kindern, die auf einem Feld lagen. Sie sahen aus, als ob sie schliefen, aber nachdem ich den Text gelesen hatte, wusste ich, dass sie tot »schlafend lagen«. Ich blätterte vor.
    III. Vom Non Mortuus
    Die Untodten besitzen keine Seele. Sie können nicht auff gewöhnlichem Wege getödtet werden, denn sie sind bereits todt. Auch wenn sie doch Kinder sind und ungefehrlich wirken, ist dies nicht die Waarheit. Den Untodten fehlet alle menschliche Regung. Sie eßen nicht, sie schlafen nicht, sie fühlen nicht. Mit der Zeit verwesen ihre Körper, und ständig müssen sie Wege finden sich zu erhalten, bevor ihre Körper wieder sterben und zur Erde zurückkehren.
    Bey denen Untodten findt man die gleichen Eigenschafften wie bey anderen todten Creaturen auch: ihre Haut, kalt; die Gliedmaaßen, steiff; der Athem, ohne alle Menschen-Wärme. Auch hat man an ihnen übermenschliche Selbst-Heylungs-Kräffte beobachtet: ihreWunden schließen sich so schnell, als sie geschlagen werden. Hinzu kommet eine natürliche Beherrschung der lateinischen Sprache, und deren Sprößlinge. Fremd sind ihnen starke Sinneswaarnehmungen oder Gefühle. Ihr hervorragendster Zug aber ist ihre Wiederkehr in der besten möglichen Form ihrer selbst. Sie sind stärker als in ihrer Menschengestalt, oder klüglicher, oder schöner.
    Mein Herz begann zu rasen und meine Augen schnellten über die Zeilen. Jetzt dachte ich nicht mehr an Cassandra und Benjamin. Die Haut, kalt. Die Gliedmaßen, steif. Der Atem ohne menschliche Wärme. Eine natürliche Beherrschung der lateinischen Sprache.
    Wieder und wieder las ich die Worte, suchte nach einer anderen Erklärung für das, was ich jetzt als Symptome erkennen musste. Aber es passte alles. Die kalte Haut, der kalte Atem, und wie er binnen Sekunden geheilt gewesen war. Ich hatte es mir nicht eingebildet. Es war alles wahr. Das war der Grund, weshalb er niemals eine Jacke trug, weshalb er nie in den Speisesaal kam, weshalb er niemals schlief. Weil er nicht menschlich war. Er war tot. Was sollte das überhaupt bedeuten, untot sein? Das Wort allein beschwor wahnwitzige Bilder herauf, von Leichen, Vampiren und hirnlosen Kreaturen, die in Trance herumtaumelten. Aber so einer war Dante nicht. Oder?
    So fristen sie ein peinvolles und zutiefst trauriges Daseyn. Sie kennen nur ein einzig Ziel: ihre fehlende Seele zu finden und sie sich wieder anzueignen. Siehaben ein und zwantzig Jahre, um sie zu finden, da mit der Zahl ein und zwantzig die Wandlung vom Kinde zum Majorennen, oder Großjährigen, abgeschlossen ist. Haben sie im ein und zwantzigsten Jahr ihre Seele noch nicht gefunden, so beschleuniget sich der Vorgang der Verwesung, biß ihre Körper völlig zerstöret sind. Dieß habe ich als einen besonders schmertzvollen Vorgang bezeugen müssen. Finden sie jedoch die Person, so ihre Seele in sich traget, dann können sie dieselbe wieder gewinnen, indem sie die Münder zusammen preßen, was auch basium mortis genennet wird. Durch diese Handlung allein wird der Untodte wieder zum Menschen, und lebet ein menschlich Leben. Der Ander jedoch stirbt an einer Schwäche des Hertzens, sein nunmehro seelenlooser Körper gealtert und verwittert.
    Den letzten Absatz las ich noch einmal. Er beschrieb meine Eltern. Benjamin Gallow. Und höchstwahrscheinlich alle anderen, die am Gottfried an Herzanfällen gestorben waren. Das war der Gottfried-Fluch. Die Untoten.
    Die Gefehrlichkeit der Untodten aber lieget in diesem Brauch, denn sie können ebenso Seelen nehmen, die ihnen nicht gehören. Hierdurch wird der Vorgang des Verfalls um ein geringes auffgehalten, führet jedoch zugleich zum Tode des Andern. Die Schwierigkeit der Menschen lieget nun

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