Dead Beautiful - Deine Seele in mir
Kindern gegründet. Sie hießen Romulus und Remus und waren Brüder. Obwol diese Geschicht unter den Gelehrtenallgemein anerkennet wird, wissen die Meißten nicht, daß Romulus und Remus Untodte waren. Beyde waren im Flusse Tiber ertrunken und alßbaldt wider aufferstanden.
Vor der Stifftung Roms wußte fast Niemand um die Untodten. Romulus und Remus schaarten Anhänger um sich, in dem sie ihre unglaublichen Fehigkeiten dem publico zur Schau stellten. Die Menschen waren voll der Achtung vor ihren übermenschlichen Selbst-Heylungs-Kräfften und ihren hervorragenden Gaben der Beredsamkeit und der Sprache und sie glaubten, die Kinder seien von den Göttern gesandt, um ihre Stadt zu begründen.
Um den Königsthron jedoch entbrannte ein bitterer Streit und Romulus tödtete den Remus, in dem er ihn bei lebendigem Leibe begrub. Als erster König Roms machte Romulus das Lateinische zur Hauptsprache. Er lehrte es nicht nur denen Kindern, sondern auch denen Großjährigen, so seinen Staat bildeten.
Endlich übernahm auch der Priesterstand die lateinische Sprache. Da das Lateinische der Untodten natürliche Sprache war, hielten sie diese für ein Geschenck der Götter. Während Romulus nach seiner Seele suchte, fürchtete er, die anderen Untodten könnten sie gierig rauben. So führte er die Begräbnuß-Sitten und Scheitterhauffen ein, um die Stadt von den Untodten zu befreyen.
Ich übersprang die Entwicklung des Lateinischen durch die Jahrhunderte und stieg bei seinem Untergang wieder ein.
Durch das Vordringen derer Evangelischen und die Ernewerung der Catholischen Kirchen wurde das Lateinische immer mehr verdränget von den welschen Sprachen. Die Leute vergaßen die Untodten und deßhalb auch den Uhrsprung der lateinischen Sprache. Nun scheinet es seltsam, daß eine gantze Sprache nicht mehr gesprochen ward. Aber mein Leser bedencke, daß eine Sprache nur dann absterben kann, wenn alle die Menschen, die sie gesprochen, selbst abgestorben sind.
Romulus und Remus. Bei den Namen dachte ich zunächst gar nicht an Kinder, sondern an Katzen. Siamkatzen. Die, die im Büro der Rektorin herumschlichen. Das konnte kein Zufall sein. Der Rest kam mir aus dem Lateinunterricht vage bekannt vor, aber ich hatte zu wenig aufgepasst, um ganz zu begreifen, was Mrs Lumbar eigentlich gemeint hatte. Außerdem war Latein jetzt meine geringste Sorge. Cassandra war untot. Jemand hatte Benjamins Seele geraubt. Und Cassandra war irgendwie noch einmal umgebracht worden. Begraben worden. Und die Schule wusste Bescheid und hielt es unter der Decke. Warum?
Und dann – Dante. Mein Dante. Der untote Dante. Langsam fügten sich die Puzzleteile zusammen. Ich ging alles in Gedanken durch, jeden Unterton, jeden unerklärlichen Moment – die Séance; wie er sich am Papier geschnitten hatte; meine Empfindungen, wenn er mich berührte.
Er war in jener Nacht im Park gewesen, weil ich ihn unabsichtlich heraufbeschworen hatte. Er konnte mich nicht in den Tunnel begleiten. Sein Latein war perfekt,obwohl er mir erzählt hatte, dass er es vor seiner Zeit am Gottfried nicht gelernt hatte. Ich dachte an das, was Professor Lumbar am ersten Schultag an die Tafel geschrieben hatte. Latein: Die Sprache der Toten. »Eines Morgens bin ich aufgewacht und es hat Klick gemacht«, hatte Dante mir in jener Nacht im Klassenzimmer erzählt. Demnach musste der ganze Lateinerklub – Gideon, Vivian, Yago und Cassandra – untot gewesen sein.
Seine Haut war immer eiskalt. Er benutzte keine Bettdecke und trug nur dann eine Jacke, wenn er wusste, dass ich sie brauchen könnte. Noch mitten im Winter ließ er seine Fenster aufgerissen; die Kälte schien ihm nichts auszumachen.
Außerdem schlief er nie und kam nur sehr selten zum Speisesaal. Er weigerte sich, mich auf die Lippen zu küssen. Und wenn er mich berührte, verschwamm die Welt um mich herum; Geräusche, Gerüche und Geschmäcker verschmolzen zu etwas völlig Neuem, Dissonantem. Vielleicht war das der Grund, warum ich mich in seiner Nähe immer so schwach fühlte: weil er irgendwie alles Gefühl aus meinem Körper in seinen hinübersaugte.
Aber wenn ich akzeptierte, dass mein Freund tot war – was bedeutete das? Plötzlich fühlte ich mich kraftlos. Ich kroch ins Bett, starrte an die Decke und dachte nach über Tod und Leben und alles dazwischen, bis die Sonne zum Fenster hereinblinzelte.
Am Morgen des ersten Weihnachtstages klopfte Dustin an meine Tür. »Miss Winters«, rief er fröhlich. »Frühstück.«
Ich
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