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Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Titel: Dead Beautiful - Deine Seele in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Woon
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dich wirklich, jetzt einmal unabhängig von den Vorlieben deiner Eltern?«
    Ich zögerte. »Ich … weiß ich nicht genau. Ich mag Bücher und lese gerne. Und ich interessiere mich für Biologie. Anatomie, Sezieren. Das klingt irgendwie cool. Aber ich hab noch nie wirklich was drüber gelernt, also, wer weiß, wahrscheinlich würd es mir gar nicht gefallen.«
    Beunruhigt schaute er mich an. »Warum sagt du das?«
    »Dad meinte immer, dass die Naturwissenschaften eine ziemlich vage Angelegenheit seien. Dass sie letztlich nichts anderes seien als Wahrsagerei. Dass man da versucht,mit einem ziemlich beschränkten Wortschatz die Rätsel von Leben und Tod zu erklären. Das hat er zumindest gesagt.«
    Mein Großvater rieb sich das Kinn. »Verstehe. Nun, vielleicht könntest du es trotzdem mal ausprobieren, am Gottfried. Schließlich könnte er sich geirrt haben.«
    Ich nickte. Unterstützte mich mein Großvater da gerade tatsächlich bei etwas, was ich mir wünschte? Vielleicht war er doch nicht so schlimm.
    Nachdem mein Großvater an diesem Abend zu Bett gegangen war, knipste ich meine Nachttischlampe an und erkundete das Zimmer meiner Mutter. Wie ein Museum war es, alles vollständig bewahrt; als ob die sechzehnjährige Ausführung meiner Mutter gerade den Raum verlassen hätte, um sich mit meinem Vater zu treffen. Jede Minute konnte sie wieder zurück sein, durch die Hintertür hereingeschlichen kommen, um nicht von meinem Großvater erwischt zu werden. Sacht fuhr ich über ihre Parfümflaschen, ihre Porzellanfigürchen, ihre Füller und Bleistifte, ohne sie wirklich berühren oder etwas an ihnen ändern zu wollen. Sie hatte stapelweise Bücher gehabt, hauptsächlich Taschenbuchausgaben von Fantasyschmökern und Kinderbüchern, einen Stoß alter Hefte, vollgekrakelt mit Zahlen und Gleichungen, wohl aus dem Matheunterricht, und einen Ordner mit Notizen, die nach Literaturunterricht aussahen. Auf die Ränder hatte sie überall den Namen meines Vaters gekritzelt. Robert Redgrave . Der Gedanke, dass sie mal in meinem Alter gewesen waren, sich während des Unterrichts Zettelchen geschickt und mit offenen Augen voneinander geträumt hatten, gefiel mir. Mit einem Gähnenpresste ich das Notizbuch meiner Mutter an meine Brust und kroch in ihr Bett. So im Kreise ihrer Schätze fühlte ich mich endlich sicher und zum ersten Mal seit Wochen schlief ich die ganze Nacht durch.
    Am Morgen brachen wir auf. Dustin fuhr uns durch die grasbedeckten Hügel von Vermont, die Weißen Berge von New Hampshire und schließlich hinein in den Westen von Maine. Es wurde später Nachmittag, die Sonne brannte leuchtend vom Himmel. In der Ferne hinterließ ein Flugzeug einen weißen Kondensstreifen auf seinem Weg nach Westen und ich sah zu, wie es hinter den Bergen verschwand. Seit Stunden hatten wir keine Seele gesehen, nichts von Menschenhand.
    Vor uns lag die dunkle Einfahrt eines Tunnels und Dustin verriegelte die Autotüren. Das Radio begann zu rauschen und fiel dann ganz aus.
    Als wir auf der anderen Seite wieder auftauchten, waren wir im Gebirge; die Luft wurde kälter, je höher wir kamen. Die Straße war jetzt feucht vom Schmelzwasser, das von den Gipfeln tropfte, und Dustin bremste, als er in die Kurve ging.
    Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein Haus am Straßenrand auf. Es war halb verfallen, das dunkle Holz am Fundament völlig verrottet. Ich war mir sicher, dass es leer stand, bis sich hinter den Gardinen eines gesprungenen Küchenfensters etwas bewegte.
    Als wir daran vorbeifuhren, presste ich mein Gesicht an die Scheibe, um ja nichts zu verpassen. Es folgte ein weiteres Haus, nur kleiner und besser erhalten, das fast ohneHalt am Berg klebte. Langsam passierten wir immer mehr Häuser, bis wir an eine Kreuzung kamen. Dort gab es einen Gemischtwarenladen, eine Tankstelle und einen Imbiss, auf dessen verblichenem Schild BEI BEATRICE stand.
    »Was ist das hier?«, fragte ich.
    »Attica Falls«, sagte mein Großvater.
    Am Straßenrand parkten ein paar Autos, an der Tankstelle füllte ein Mann seinen rostigen Pick-up mit Diesel. Unter einer Veranda saß eine streunende Katze. Ansonsten war keine Menschenseele zu sehen. An der Kreuzung bog Dustin links ab und fuhr eine steile Straße hinauf, die um den Berg herumführte. Der Ort endete ebenso plötzlich, wie er begonnen hatte. Gerade als wir um den Kamm bogen, blickte ich zurück, um einen letzten Blick zu erhaschen. Attica Falls.
    Kaum hatte ich mich wieder umgedreht, hielten wir schon

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