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Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Woon
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schon richtig: Es war exakt der Vogel, den ich gesehen hatte, bevor ich das Wort
Kanarienvogel
herausblökte.
    Bedeutete das, dass die Visionen, die ich gehabt hatte, die Dinge, die ich auf einmal gewusst hatte, alle mit den Neun Schwestern zu tun hatten?
    Wieder strömte eine kühle Brise ins Zimmer und brachte die Buchseiten zum Flattern. Hatte ich nicht eben das Fenster zugemacht? Ich stand auf. Das Fenster war tatsächlich noch geschlossen und trotzdem strömte Luft herein, wand sich um meine Handgelenke, meine Arme, meine Brust, bis ich seinen Namen wie einen Atemzug ausstieß. »Dante.«
    Meinem Instinkt folgend eilte ich zur Wand und schaltete das Licht aus. Und als ich dann mitten im Zimmerstand, schloss ich die Augen und machte einen winzigen Schritt nach rechts, dann einen noch kleineren nach links, bis mir der Luftstrom die Beine emporkroch.
    Ich warf mein Handtuch ab und zog mich so schnell an, wie ich konnte, kämmte mir das nasse Haar mit den Fingern durch und rannte die Treppe hinunter und zur Tür hinaus. An den Schultoren kasperten ein paar Jungs mit dem Wachposten herum.
    »Renée«, grüßte eine Stimme. Es war Brett.
    »Ich   – ich muss noch mal weg«, sagte ich und quetschte mich zwischen ihnen durch. Dann verschwand ich in den verwinkelten Straßen von Montreal.
    Ich hatte keine Ahnung, wohin ich ging, mich führte allein der eisige Luftzug, der mich mit Dante verband. Ihm zu folgen war nicht leicht. Immer wieder wollte mich der Tod in die Irre leiten, überall spürte ich seine Nähe: auf überfüllten Marktplätzen, in Krankenhäusern und in den Kirchen mit ihren schlichten Friedhöfen. Ich bog nach links ab, dann zweimal nach rechts, doch dann hatte ich Dante verloren. Ich machte kehrt und ging mit angehaltenem Atem den Weg zurück, den ich gekommen war, bis ich den Luftzug wieder spürte.
    Schließlich fand ich mich am hintersten Ende des alten Hafens wieder, auf einem alten Fischereilandeplatz. Wie in einem Gefrierschrank war es hier, die Luft eisig und rau und erfüllt von den Geräuschen des nächtlichen Meers: die Brandung, die gegen das Dock klatschte; die schwankenden Boote am Kai, deren Leinen wie Glöckchen gegen die Masten klimperten.
    Beim Landungssteg stand ein Lagerschuppen. Von der Decke baumelten frisch gefangene Fische, jeder an die zweiMeter lang. Ihre Schuppen reflektierten das Neonlicht in öligen Rottönen, in Orange und Purpur. Ein windgegerbter Mann in Gummistiefeln und Arbeitshandschuhen rollte ein Fass mit kleineren Fischen über das Dock. Ich senkte den Kopf und ging an ihm vorbei, sah zu, wie der Mond sich auf der welligen Wasseroberfläche spiegelte, als mich etwas Kaltes beim Handgelenk packte.
    Ich wusste sofort, dass ich Dante gefunden hatte, erkannte es an der Art, wie seine Gegenwart mich umhüllte, in mich einsickerte, meine Lungen mit seinem besonderen Geruch füllte. Der Pinienduft war so stark, dass ich mich zum ersten Mal seit Monaten daran erinnern konnte, wie es war, in der Dämmerung durch einen Wald zu spazieren.
    »Ist das hier sicher?«, stieß ich hervor, aber Dante legte mir einen Finger auf die Lippen.
    »In dieser Stadt ist es überhaupt nirgends sicher.« Er zog mich ins Dunkel zwischen zwei monströsen Booten. Seine Hand lag auf meinen Rippen, sein Atem blies mir hinter das Ohr, während wir leise abwarteten, bis sich auch der letzte Arbeiter verzogen hatte.
    Das Dock schwankte unter unseren Füßen, als Dante mich zum Ende der Plattform führte. Dort war ein kleines weißes Schiff aufgebockt, mit aufgerollten Segeln.
The Sea Maiden
.
    »Wem gehört das?«, fragte ich, als Dante einen Fuß aufs Deck setzte.
    »Heute Nacht gehört es uns«, sagte er. Und bevor ich wusste, wie mir geschah, hob er mich hoch, als wäre ich eine Feder, und trug mich ins Boot. Ich klammerte mich an seinem Hals fest, vergrub mein Gesicht in seinem Haar, in seinen Schultern, damit er mich nicht losließ.
    »Du fehlst mir«, sagte ich, als wäre das alles nur ein Wunschtraum. »Du fehlst mir«, wiederholte ich und sah schon das Ende der Nacht voraus, wenn er wieder fort sein würde.
    Er trug mich zur Mitte des Decks, wo eine kleine Treppe in die Kabine hinunterführte. Über einen Stapel Rettungswesten hinweg stieg er mit mir in den Bauch des Schiffes.
    Er packte mich fester und legte den Lichtschalter um. Die Fensterränder waren mit winzigen Lichterketten gesäumt. Eine plüschige rote Bank führte die ganze mit dunklem Holz vertäfelte Wand entlang. Dante legte

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