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Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Woon
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mir die Augen zuhalten musste. Um uns herum schwirrte es vor Leuten, die einkauften, Kaffee tranken oder den Gastrobereich ansteuerten, von wo es nach heißem Fett stank.
    Ich folgte Anya, die sich durch die Gänge wand, erst nach links und dann nach rechts, vorbei an einem U-Bahn - Eingang , einer Parfümerie und einem riesigen Supermarkt, bis wir schließlich einen Tunneleingang erreichten, der fast völlig mit Betonplatten verschlossen war.
    »Ich glaub, hier ist es«, erklärte sie und stieg über eine orangefarbene Pfütze hinweg.
    »Woher kennst du das hier?«, fragte ich und sog scharf den Atem ein, als ich mich an die Tunnelwand drückte und ihr nachging.
    »Alle Russen hier wissen darüber Bescheid«, sagte sie und führte mich durch einen nasskalten Korridor. »Wir waren diejenigen, die sie gebaut haben. Also, nicht ich, aber du weißt schon. Russische Einwanderer. Als ich noch klein war, hat mein Vater mich immer durch diese Tunnel geschleift.«
    Am Ende erwartete uns eine enge Treppe, die zu einer einsamen Tür führte. Anya drückte sie mit der Schulter auf. Dahinter befand sich ein geräumiger Lagerraum des Krankenhauses. Ich kickte eine Kiste aus dem Weg und stieg über ein wildes Chaos aus Krankenhausartikeln   – Mullbinden, Einwegspritzen, Schachteln mit Gummihandschuhen   –, bis ich es schließlich zur gegenüberliegenden, von einem hellen Lichtstreif umrandeten Tür geschafft hatte.
    »Wir nehmen einfach die da«, sagte Anya und griff sicheinen Bogen mit selbstklebenden Besucherschildchen. Auf eines schrieb sie
Tanya
und klebte ihn sich aufs Oberteil. Den zweiten Aufkleber beschriftete sie mit
Dasha
und heftete ihn mir auf die Brust. Gemeinsam kauerten wir hinter der Tür, lauschten auf die Schritte auf dem Gang und huschten schnell heraus, als sie verebbten.
    Wir waren in der Geriatrie gelandet, einem trostlosen Ort, wo die Neonröhren in der Stille surrten. Leer und kalt fühlte es sich an, als würde hier der Tod persönlich hausen. Anya und ich taten besonders unauffällig und steuerten die Aufzüge an. Ein Glöckchen ertönte und schon waren wir drin.
    Der Aufzug war gerammelt voll; zwei Pflegerinnen standen neben einem Mann auf einer Trage. Alt war er, aber auch kräftig, mit muskulösen Armen und eisgrauem Bart. Er war nicht tot, sondern nur im Tiefschlaf, denn erspüren konnte ich ihn nicht. Anya starrte ihn an, während ich den Knopf für den zweiten Stock drückte   – Kinderheilkunde.
    »Weißt du, der sah irgendwie gut aus«, erklärte sie, als wir ausstiegen.
    Ich stöhnte auf. »Der könnte dein Großvater sein. Dein Urgroßvater.«
    »Ich finde ältere Männer sexy«, fuhr sie fort. »Ihr Brusthaar. Gefällt mir total.«
    Ich hob abwehrend eine Hand. »So genau will ich’s gar nicht wissen. Wir müssen uns konzentrieren.« Ich beäugte eine Krankenschwester, die gerade am Telefon hing.
    Alles sah genauso aus, wie ich es in Erinnerung hatte: die Zeichnungen an der Wand, die Stifte und Bilderbücher im Wartezimmer, das Grundgeräusch aus piepsenden Maschinen,schnatternden Schwestern und Schuhsohlen auf Linoleumboden. Eine Reihe von Krankenzimmern.
    Dann das Zimmer 151. »Da ist wer drin«, stellte Anya fest, die durchs Fenster linste. Auf Zehenspitzen spähte ich ihr über die Schulter. In der Zimmermitte stand ein einsames Bett und darin lag ein Junge, über dessen Beinchen eine Decke festgezurrt war.
    Ich klopfte an. Als er sich nicht rührte, klopfte ich noch einmal, diesmal kräftiger, und drehte dann am Knauf.
    Der schlafende Junge im Bett war der aus meiner Vision. Seine Ärmchen waren mit Pflastern und Schläuchen gespickt, als wäre er von innen nach außen gestülpt worden.
    Anya stupste sein Bein an, aber er wachte nicht auf.
    »Nicht anfassen!«, zischte ich leise.
    »Warum nicht?«
    »Lass   – behalt ihn einfach nur im Auge, während ich unten nachschaue, okay?« Ich holte ein Stück Grafit und ein Blatt aus meinem Spiralblock hervor. Die Kunststofffliesen fühlten sich unter meinen Knien kalt und rutschig an.
    Ich schob den Kabelsalat beiseite und glitt unter das Bett, der schmale Zwischenraum war gerade groß genug für mich. Ich tastete den Boden mit der flachen Hand ab, bis ich etwas Raues, Kühles spürte, wie Metall. Ich befühlte die Ränder: Es war kreisförmig. Und dann deckte ich es mit dem Blatt zu und fuhr mit dem Grafit darüber, um einen Abdruck der Oberfläche zu bekommen. Hoffentlich machte ich das richtig.
    Niesend tauchte ich wieder auf. Wir

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