Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)
gelogen?«, sagte ich und reckte das Kinn nach oben, während ich zu den Gewürzen hinüberging.
Clementine folgte mir. »Nein. Weißt du, ganz normal finde ich dich auch nicht.«
»Du weißt nichts, aber auch gar nichts über mich«. Ich schüttelte sie ab und stolzierte zu dem Ecktisch, an dem Anya saß.
»Ich weiß, dass du was verheimlichst«, sagte Clementine,als ich sie links liegen ließ. »Und ich werd schon noch rauskriegen, wo du dieses Geheimnis begraben hast, und dann werd ich es ausbuddeln.«
Als ich nach dem Essen zurück in mein Zimmer kam, war es so still, dass ich hören konnte, wie sich auf dem Flur Schritte näherten und dann Clementines Tür aufgesperrt wurde. Ich legte gerade meine Tasche ab, da zog plötzlich eine eisige Brise durchs Fenster herein. In der Hoffnung, es wäre Dante, sprintete ich durchs Zimmer, aber natürlich war es Fehlalarm. Clementines Worte krochen mir durch den Kopf. Wenn sie jemals von Dante erführe … Ich wollte noch nicht mal daran denken, was dann geschehen würde.
Ich schloss das Fenster, ging zum Badezimmer und drehte die Dusche auf. Während ich noch am Waschbecken lehnte und darauf wartete, dass das Wasser heiß wurde, klopfte es an Clementines Tür. Wieder irgendwelche Freundinnen, nahm ich an – doch dann hörte ich überraschenderweise die Stimme eines Jungen.
»Noah«, sagte Clementine. Ihre Stimme klang anders. Sanft. Aufrichtig.
Noah?, dachte ich. Derselbe Noah, der mich mit dem Fahrrad angefahren und mit mir geflirtet hatte? Der Noah, der einen Narzissenstrauß quer über die Straße verteilt hatte. Für Clementine hatte er die gekauft?
Ich presste mich gegen die Wand und hörte zu, wie er ihr etwas zuflüsterte, wie sie zurückwisperte. Wie ein B H-Trä ger gegen nackte Haut schnalzte. Wie Clementine kicherte. Wie es still wurde, als sie sich küssten.
Mit geschlossenen Augen stellte ich mir vor, dass das da drüben Dante und ich waren, aber Noahs Stimme brachtealles wieder zum Einstürzen. Und aus welchen Gründen auch immer fing ich an zu weinen.
Nicht, dass ich eifersüchtig auf Clementine gewesen wäre, das war es nicht. Oder vielleicht doch. Als ich in die Dusche stieg und mich an den Fliesen abstützen musste, wünschte ich mir einen schwachen Moment lang, dass ich sie, dass Dante Noah sein könnte und dass er nebenan in meinem Zimmer schon auf mich wartete. Aber ich wusste, das würde ich niemals haben.
Der Duschvorhang wölbte sich, als ich mir über die Schulter fasste und vorsichtig das Mal auf meinem Rücken ertastete. Das war alles, was mir von ihm geblieben war. Und wenn er in fünf Jahren starb, würde ich nicht einmal mehr das haben – es sei denn, ich unternahm jetzt etwas, um mein Schicksal zu wenden. Als meine Hand schließlich zur Seite rutschte, legte ich meinen Kopf in den Nacken und ließ das heiße Wasser so lange an meinem Körper hinabrinnen, bis ich nicht mehr wusste, ob ich noch weinte, und der Dampf im Badezimmer das Atmen fast unmöglich machte.
In meinem Zimmer war es eisig, als ich die Badtür hinter mir schloss. Ich umklammerte mein Handtuch, ging direkt zu meinem Schreibtisch und zog mein Geschichtsbuch aus dem Regal. Ich blätterte es durch, bis ich den Abschnitt über die Neuf Sœurs gefunden hatte. Das Gemälde, das Madame Goût uns im Unterricht gezeigt hatte, starrte mir vom Blatt entgegen. Ich musterte das verschattete Mädchen mit dem Kanarienvogel und fragte mich, wer sie war, was ihr widerfahren war. Der Text war überhaupt keine Hilfe. Er erwähnte nur die wenigen Punkte, die wir schon von Madame Goût erfahren hatten, und der Rest des Kapitelshandelte ihren Einfluss auf Kultur und Gesellschaft der Wächter ab.
Hatten sie wirklich das Geheimnis der Unsterblichkeit entdeckt? Ich musste es erfahren. Und wenn es existierte, musste ich es finden. Aber wo anfangen? Ich blätterte vor und entdeckte das Foto einer Steingravur ganz am unteren Rand der Seite. Das Bild war eher schlicht – ein kleiner, von Ranken umgebener Vogel –, doch sein Anblick reichte, um mir die Brust abzuschnüren.
Mein Atem wurde ganz flach und ich fiel in meinen Stuhl zurück. Ich konnte einfach nicht fassen, was ich da sah: genau denselben Vogel, der bei Dustin im Flugzeug vor meinem inneren Auge aufgeblitzt war.
Das Kanarienwappen der Neun Schwestern
, lautete die Bildunterschrift.
Mir versagte die Stimme. »Unmöglich.«
Ich knipste meine Schreibtischlampe an und betrachtete das Bild genauer, aber ich lag
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