Dead End: Thriller (German Edition)
dabei über ein Waschbecken der Kamera entgegen, die hinter dem Spiegel verborgen gewesen sein musste. Ich fuhr mit der Maus über den Schreibtisch und klickte auf die Pfeiltaste, die das Video weiterlaufen ließ.
Die junge Frau fuhr sich mit einem Pinsel über die Lippen, ehe sie zurücktrat und mit beiden Händen ihr langes Haar aufplusterte. Dann griff sie mit einer Hand in ihren BH und hob eine Brust an. Danach dasselbe auf der anderen Seite, so wie Frauen es tun, damit das Dekolleté besser zur Geltung kommt. Sie straffte die Schultern und warf einen letzten Blick in den Spiegel, ehe sie sich zu den Kleidungsstücken umdrehte, die sie auf dem Bett zurechtgelegt hatte.
Mir war schlecht. Dieses Video war in meinem Zimmer aufgenommen worden. Die junge Frau war ich.
Ich schloss mein kleines Home-Video und merkte mir den Dateinamen, dann öffnete ich das Dateienverzeichnis. Zu wissen, was ich suchte, machte es mir leichter, die restlichen Dateien zu finden. Irgendjemand hatte sie günstigerweise alle mit meinem Namen betitelt. Laura 001 zeigte die Episode auf der Grünanlage vor dem St. John’s College. Dieser Clip war fast sieben Minuten lang, und ich musste vorspulen. Doch das Wesentliche bekam ich mit. Die meiste Zeit über war die Kamera auf meinen nassen, zitternden Körper gerichtet gewesen, selbst als dieser schlammbedeckt auf dem Boden gelegen hatte. 001 war schon schlimm genug. Laura 002 war noch schlimmer. Es war nur zwanzig Sekunden lang und zeigte mich im Schlaf.
Zuerst sah es ganz harmlos aus. Nur dass ich völlig starr war. Ich lag da wie ein Leichnam, flach auf dem Rücken, die Beine ausgestreckt und dicht beieinander, die Arme neben dem Körper. Alles regungslos, außer meinem Kopf.
Mein Gesicht bebte vor Anstrengung. Mit kleinen, zuckenden Bewegungen drehte ich den Kopf von einer Seite zur anderen, und ich wusste, weil ich mich irgendwo ganz hinten in meinem Verstand daran erinnerte, dass ich versucht hatte aufzuwachen. Das Fenster neben meinem Kopf öffnete sich, und in meinem halb träumenden, halb betäubten Zustand hörte ich es. Ich hörte auf zu zucken und erstarrte. Dann fing ich wieder an, den Kopf hin und her zu werfen, wie ein hilfloser Krüppel, der zu fliehen versucht, unfähig, eines seiner Glieder zu bewegen. Ich konnte das Wimmern hören, das aus meiner Kehle drang, als die dunkle Gestalt durch das Fenster kletterte und sich über das Bett beugte.
Während mir der Schweiß zwischen den Schulterblättern hinunterlief, erinnerte ich mich daran, wie das geschehen war. Der Traum, in dem jemand in meinem Zimmer gewesen war und auf mich herabgeblickt hatte, während ich mich mit aller Kraft abgemüht hatte, mich zu bewegen, und völlig gelähmt gewesen war. In meinem ganzen Leben hatte ich mich noch nie hilfloser gefühlt, und jetzt stellte sich heraus, dass jede Sekunde diese furchtbaren Traumes Wirklichkeit gewesen war.
Die dunkle Gestalt – unmöglich, genau zu sagen, wer es war, aber das Haar sah zu kurz aus, als dass es Thornton hätte sein können – fasste die Steppdecke und schickte sich an, sie wegzuziehen. Ich glaubte, nicht länger hinsehen zu können und streckte tatsächlich schon die Hand aus, um das Video anzuhalten, als sich etwas auf den Eindringling stürzte. Die maskierte Gestalt fuhr erschrocken herum, hob abwehrend den Arm und trat dann mit dem Fuß aus. Mein Retter – Schnuffel, Gott segne sie – war zurückgewichen und war nicht mehr zu sehen, doch ich konnte sie knurren und bellen hören. Der Eindringling warf einen raschen Blick aus dem Fenster, kletterte hinaus und verschwand. Das Video endete.
Ich kehrte zum Dateiverzeichnis zurück. So viele bekannte Namen: Bryony, Nicole, Jackie, Nina, Kate, Jayne, Evi, jeder im Namen mehrerer Dateien. Ich wollte mir keine davon ansehen, doch es gab da etwas, das ich genau wissen musste.
Ich suchte die Datei aus, die Nicole betitelt und anscheinend die letzte war, Nicole 010, und klickte auf PLAY . Das Video war bei Nacht aufgenommen worden, mit irgendwelchen Nachtsichtgeräten, denn die Aufnahmen hatten das monochromatische Aussehen einer Dokumentation über Nachttiere. Nicoles Mini Cabriolet war am Rand einer ruhigen Landstraße geparkt. Sie saß auf dem Fahrersitz und schien nicht bei Bewusstsein zu sein. Eine hochgewachsene, maskierte Gestalt (diesmal war es dem Haar nach zu urteilen Thornton) zog den Sicherheitsgurt zurecht, so dass er stramm saß, während ein weiterer Maskierter den Knoten eines Seils
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