Dead End: Thriller (German Edition)
überprüfte, das um den nächsten Baum gebunden worden war. Thornton schob gerade Nicoles rechten Ärmel hoch, als sein Kumpan ihr die Schlinge am anderen Ende des Seils über den Kopf zog. Thornton hatte etwas in der Hand, das wie eine Spritze aussah. Er injizierte dem bewusstlosen Mädchen etwas und zog den Ärmel wieder herunter. Der andere Mann drehte den Zündschlüssel, und der Motor des Mini sprang an. Beide Männer verschwanden aus dem Bild.
Ich musste ein Stück vorspulen. Nicole brauchte vielleicht zwei Minuten, um aufzuwachen. Ihr Kopf schwankte, sackte ein paarmal nach vorn und hob sich langsam wieder, ehe sie zu sich zu kommen schien. Ihre rechte Hand hob sich und tastete nach der Schlinge um ihren Hals. Dann schaute sie sich um, um zu sehen, wo das Seil endete.
Wissen Sie was? Ich ertappte mich tatsächlich dabei, wie ich hoffte, sie würde es nicht tun. Dass sie im letzten Moment zur Vernunft kommen, sich die Schlinge vom Hals reißen und das Gaspedal durchtreten würde, um diesen Ungeheuern zu entkommen. Natürlich tat sie es nicht. Sie saß einige Sekunden lang ganz still da, dann schaute sie in einem Schwall hektischer Aktivität in den Rückspiegel, löste die Handbremse, umklammerte das Lenkrad und schoss vorwärts.
Die Kamera folgte ihr die ganze Zeit, erfasste den abgetrennten Kopf, der wie ein verirrter Fußball die Straße entlanghüpfte, und wurde erst abgeschaltet, als näher kommende Scheinwerfer warnten, dass ein anderes Auto die Straße heraufkam.
»Und es sieht so aus, als hätte sie eine ganze Menge getrunken«, erklärte Castell. »Ich hab gestern Abend gearbeitet. Normalerweise versuche ich ja, darauf zu achten, wie viel sie trinkt, wenn ich bei ihr bin, aber … Jedenfalls, sie hat sich das Genick gebrochen. Sie muss sofort tot gewesen sein, sie hat bestimmt nichts gemerkt.«
»Ich wusste gar nicht, dass Meg ein Alkoholproblem hatte«, sagte Evi, während Schnuffel angeschlichen kam und sich schwer gegen sie lehnte.
Castell nickte langsam und betrübt. »Na ja, die meisten Betroffenen lernen, das sehr gut zu verheimlichen.«
»Megan ist tot?« Evi strich mit der Hand über Schnuffels Kopf und ihre seidigen Ohren.
Castell kniff die Augen ganz leicht zusammen und schien sich ein wenig vorzubeugen. »Kann ich Ihnen irgendetwas bringen?«, erkundigte er sich. »Möchten Sie einen Drink? Ein Glas Brandy?«
Evi schüttelte den Kopf. »Ich soll keinen Alkohol trinken.«
Castells Miene drückte nichts als Mitgefühl aus. »Nein«, meinte er, »aber Sie tun es trotzdem, nicht wahr? Sie trinken ziemlich viel.«
»Wie bitte?«
Castell streckte den Arm über den Tisch, als wolle er sie berühren. Evi zog ihre Hand weg. Sein Blick zuckte nach unten und wieder in die Höhe.
»Evi, es fällt mir nicht leicht, das zu sagen, aber Meg hat sich große Sorgen um Sie gemacht«, sagte er. »Ganz besonders, weil Sie bei Ihrem gegenwärtigen schlechten Gesundheitszustand immer noch arbeiten. Sie hat Ihrem Arzt einen Brief geschrieben und ihre Bedenken geäußert. Der Universitätsleitung hat sie eine Kopie davon geschickt.«
Evi legte den Arm um Schnuffels Schultern und zog den Hund ein wenig enger an sich. »Blödsinn«, sagte sie. »Megan würde nicht mit Ihnen über mich sprechen. Das dürfte sie als meine Therapeutin überhaupt nicht.«
Castell zuckte die Achseln. »Der Brief ist in ihrem Computer gespeichert«, erwiderte er. »Ich kann ihn jederzeit ausdrucken.«
Es dauerte einen Moment, bis das, was er gerade gesagt hatte, durchdrang. »Sie haben Zugang zu Megs Computer?«
Seine Augen wurden schmal. »Worauf wollen Sie hinaus?«
Castell war vor fünfzehn Jahren in Cambridge gewesen. Er hatte nicht Medizin studiert, aber er hatte etliche Mediziner gekannt. Castell war seit Monaten mit Megan zusammen gewesen, hatte oft bei ihr übernachtet. Wenn er Zugang zu Megs Computer hatte, hätte er sämtliche Dateien über Evi einsehen können, die sie dort gespeichert hatte. Er würde alles über sie wissen. Alles, was ihr zugestoßen war, alles, wovor sie Angst hatte.
»Darf ich Ihnen einen Rat geben, Evi?«, fragte Castell.
»Bitte«, antwortete Evi und fragte sich, ob man ihr ihre Angst wohl ansah.
»Reichen Sie noch heute Ihre Kündigung ein. Sagen Sie, Sie brauchen ein bisschen Zeit für sich. So kann der Brief, den Meg an die Unileitung geschrieben hat, genau da bleiben, wo er jetzt ist. Niemand braucht etwas davon zu wissen.«
Widersprich ihm nicht, lass ihn glauben, er hat
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