Dead Man's Song
früher mal im Dreiundachzigsten gearbeitet«, sagte Ollie. »Bis ich versetzt wurde.«
»Wollen Sie noch Kaffee?«
»Aber gern, meine Liebe«, sagte Ollie und gab seine weltberühmte W.-C.-Field-Imitation zum besten. »Wenn es Ihnen nicht zuviel Mühe macht, gern.«
»Gefällt es Ihnen hier besser als im 83. Revier?« fragte die Serviererin und schenkte ein.
»Mir gefällt es überall dort, wo Sie sind, mein kleiner Sonnenschein.«
»Süßholzraspler«, sagte sie lächelnd und entfernte sich. Dabei schwenkte sie ihre beachtlichen Kurven.
»Die Leute fragen mich das ständig«, erzählte Ollie. »Arbeiten Sie nicht im 83. Revier? Als ob ich, verdammt noch mal, nicht wüßte, wo ich arbeite. Als würde ich mich wegen meines Arbeitsplatzes irren. Die Welt wimmelt von Menschen, die einen bei irgendwas erwischen wollen! Die wissen mit ihrer Zeit nichts Besseres anzufangen, als bei anderen nach Fehlern zu suchen. Lautet Ihr zweiter Name nicht Lloyd? Verdammt, nein, er lautet Wendeil. Oliver Wendell Weeks, als würde ich meinen eigenen zweiten Namen nicht kennen. Wenn ich einmal erzählt habe, ich hieße Lloyd oder Frank oder Ralph, habe ich gelogen. Das gehörte zu meiner Scheißtarnung.«
Ein schwacher, unangenehmer Geruch schien immer dann von Ollie aufzusteigen, wenn er sich aufregte, was im Augenblick der Fall war. Er ignorierte seine Körperausdünstungen, griff nach dem Zwiebelbrot und biß hinein. Dabei setzten seine malmenden Zähne einen Schwall Schmelzkäse in Bewegung, der sich auf das rechte Revers seines Jacketts ergoß.
»Hat dieser Typ einen Namen?« fragte er. »Ich meine den Schwulen, der mit eurem Killer gepokert hat?«
»Harpo«, sagte Carella.
»Arbeitet er in der First Bap?« fragte Ollie.
Beide Detectives sahen ihn verwirrt an.
»Dort gibt es den einzigen Harpo, den ich in dieser Gegend kenne«, sagte Ollie. »Ich bin erstaunt, daß er Karten spielt. Falls es derselbe ist.«
»Harpo was?« fragte Meyer.
»Sein Mäzen ist Walter Hopwell, aber fragt mich nicht, wieso gerade Harpo. Ich hatte keine Ahnung, daß er andersrum war, ehe ihr es erwähnt habt. Was es nicht alles gibt, was? Habt ihr keinen Hunger?« Er winkte erneut der Kellnerin. »Bringen Sie meinen Freunden noch ein wenig Kaffee«, sagte er. »Das sind berühmte Plattfüße aus dem Nachbarrevier. Und ich kriege noch so ein Croissant.« Er sprach das Wort aus, als könnte er fließend Französisch, aber in Wirklichkeit redete nur sein Magen. »Ich frage mich«, sagte er, »wie kommt es, daß ein weißer Spitzel sich mit einem schwulen Neger zusammentut?«
Ollie benutzte das Wort »Neger« ganz bewußt ab und an, denn er glaubte, damit beweisen zu können, wie tolerant er sei, obgleich er genau wußte, daß all die Farbigen, die es bevorzugten, von Weißen als Schwarze oder Afroamerikaner bezeichnet zu werden, sauer darauf reagierten. Aber er hatte so lange gebraucht, überzeugend »Neger« sagen zu können, daß ihn alle, die ihn in dieser Hinsicht umerziehen wollten, am Arsch lecken konnten.
»Kann es sein, daß er jetzt in der Kirche anzutreffen ist?« fragte Carella.
»Eigentlich schon. Im obersten Stockwerk haben sie einen richtigen Bürobetrieb.«
»Dann nichts wie hin«, sagte Meyer.
»Wollt ihr etwa Rassenunruhen in Gang setzen?« fragte Ollie und grinste, als gefiele ihm diese Aussicht. »Die First Bap gilt als neuralgisches Terrain. An eurer Stelle würde ich mir Mr. Hopwells Adresse aus dem Telefonbuch raussuchen und ihn abfangen, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt.«
»Unser Mann beabsichtigt, morgen die Stadt zu verlassen«, sagte Carella.
»In diesem Fall, Freunde, laßt mich mein Frühstück beenden«, erklärte Ollie. »Dann gehe ich mit euch in die Kirche.«
Browns Mutter nannte sie die »Friseursfrau«. Das war nur ein anderer Name für die örtliche Klatschbase. Die Theorie besagte, daß jemand, der sich die Haare schneiden oder rasieren ließ, etwa eine Stunde auf dem Stuhl des Friseurs gefangen war und ihm alles erzählte, was ihm in den Sinn kamv Am Abend ging der Friseur nach Hause und berichtete seiner Frau alles, was er im Laufe des Tages von seinen Kunden gehört hatte. Demnach wußte die Friseursfrau besser als jeder Streifenpolizist, was in der Gegend geschah. Brown und Kling taten nichts anderes, als diese Friseursfrau in Andrew Haies Wohnhaus zu suchen.
Sechs Stockwerke hatte das Gebäude, drei Mieter auf jeder Etage. Als sie an diesem Vormittag um kurz nach zehn dort eintrafen,
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