Dead Man's Song
drehten sich zu ihm um, erstaunt über die Heftigkeit in seiner Stimme, und auch überrascht darüber, daß er sich an diesem Morgen die Mühe gemacht hatte, sich zu rasieren. »Bei so einer Information immer«, fuhr er entschlossen fort. »Ich hätte ihn zur Not gebeten, sich einen Moment zu gedulden, weil ich erst eine Bank ausrauben müßte.«
»Das hätte ich wohl tun sollen«, sagte Carella.
»Wer ist dieser Kumpel?« fragte Kling. Er trug an diesem Vormittag eine braune Lederjacke, die aussah, als käme sie aus Oklahoma oder Wisconsin, die er jedoch in diesem Sommer auf einem Flohmarkt gekauft hatte. Blond und mit haselnußbraunen Augen und mit einem Teint und Wimpern, für die die meisten Frauen einen Mord begangen hätten, erweckte er den Eindruck eines harmlosen Landeis, was die ideale Rolle bei Guter-Cop-Böser-Cop-Szenarios war. Er war der perfekte Partner von Brown, dessen ständig zur Schau getragene finstere Miene einem schon Angst einjagen konnte. »Hat Danny dir einen Hinweis geben können?«
»Er sprach von einem Harpo.«
»Es ist tatsächlich ein Film«, stellte Willis fest.
»Harpo - und weiter?«
»Hat er nicht gesagt.«
»Er ist schwul«, warf Meyer ein.
»Weiß, schwarz?«
»Hat er nicht gesagt.«
»Wo haben sie gespielt?«
»In der Lewiston Avenue.«
»Im Eight-Eight.«
»Ja.«
»Dann wahrscheinlich schwarz«, sagte Parker. »Im Eight-Eight.«
Brown musterte ihn herausfordernd.
»Was ist?« fragte Parker. »Hab ich was Falsches gesagt?«
»Ich weiß nicht, was du gesagt hast.«
»Ich habe gesagt, wenn von einer Pokerrunde im Eight-Eight die Rede ist, kann man davon ausgehen, daß die Spieler schwarz sind«, meinte Parker und zuckte mit den Achseln. »Aber egal, du kannst mich mal. Sei nicht so empfindlich.«
»Was hab ich dir getan? Ich hab dich nur angeschaut«, sagte Brown.
»Ziemlich aggressiv, würde ich meinen.«
»Könnt ihr damit aufhören?« fragte Byrnes.
»Sei nur nicht so empfindlich«, sagte Parker. »Glaub mir, es ist keineswegs so, daß die ganze Welt es auf dich abgesehen hat.«
»He!« rief Byrnes. »Haben Sie nicht gehört oder was?«
»Klar habe ich Sie gehört. Aber er ist so verdammt sensibel.«
»Sag das noch mal, Andy«, schnappte Brown.
»He!« brüllte Byrnes.
»Ich hab doch nur gesagt«, verteidigte Parker sich, »wenn es eine verbotene Runde war, könnten Dannys Freund Harpo und der Typ, der Haie aufgehängt hat, schwarz sein, mehr nicht.«
»Hab schon begriffen«, sagte Brown.
»Gütiger Himmel.« Parker verdrehte die Augen.
»Ist jetzt Schluß?« fragte Byrnes.
»Wir sind schon fertig«, sagte Parker. »Ich würde jetzt gerne über eine Razzia in einem …«
»Ich meine, seid ihr beide endlich mit eurem Scheiß fertig?«
»Mit welchem Scheiß?« fragte Parker.
»Laß es gut sein, Andy«, sagte Brown.
Byrnes funkelte beide wütend an. Eine Sekunde lang war es im Raum totenstill. Dann räusperte sich Hawes.
»Es ist möglich«, sagte er, »daß einer der beiden Schützen in der Pizzeria derjenige war, der auch Haie umgebracht hat.«
»Wie meinen Sie das?«
»Er kriegt raus, daß Harpo mit Danny gequatscht hat, und denkt sich, daß er Danny lieber von der Bildfläche verschwinden läßt, ehe der mit seinem Wissen hausieren geht. Das wäre doch möglich, oder?«
»Daß aus unserem Henker plötzlich ein Scharfschütze wird?« fragte Parker.
»Es wäre eine Möglichkeit.«
»Was ist mit dieser Lebensversicherung über fünfundzwanzigtausend Dollar?« fragte Willis.
»Begünstigte sind die Tochter und der Schwiegersohn«, erklärte Carella.
»Wissen sie Bescheid?«
»Na klar.«
»Die haben Alibis bis zum Abwinken«, sagte Meyer.
»Demnach vermuten Sie einen Auftragsjob.«
»Das hat Danny angedeutet. Er hat gesagt, der Killer habe fünftausend gekriegt, um den alten Mann zu erledigen.«
»Waren das genau seine Worte?« fragte Byrnes.
»Nein, er sagte, der alte Mann besäße etwas, das jemand anderer dringend haben wollte. Er wollte sich jedoch nicht davon trennen. Es sollte eine Menge wert sein.«
»Was hat er über diesen Mordauftrag erzählt?«
»Er sagte, jemand wäre bereit, fünftausend zu zahlen, um den alten Mann zu töten und es wie einen Unfall aussehen zu lassen.«
»Aber warum?« fragte Willis.
»Was meinen Sie, warum?«
»Sie sagten, der alte Mann hätte etwas besessen, das jemand anderer haben wollte…«
»Richtig.«
»Wie soll dieser Jemand es denn in die Finger kriegen, wenn er den alten Mann umbringen
Weitere Kostenlose Bücher