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DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

Titel: DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Curran
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Hälfte des Aufstiegs bewältigt hatten und sich das Rettungsboot in dem Dunst, der aus dem Wasser und den Algen aufstieg, kaum noch erkennen ließ, meinte Fabrini: »Schau mal, Cook. Siehst du das?«
    Cook sah es. Eine Reihe langer, gezackter Furchen im Rumpf, als sei etwas am Schiff entlanggeschrammt. Cook wollte gar nicht wissen, woher sie stammten.
    »Sieht aus, als hätte das Schiff sich irgendwo aufgekratzt«, meinte er.
    »Oder als hätte etwas das Schiff aufgekratzt.«
    3
    Als sie das Hauptdeck erreichten, standen sie erst einmal nur da, spürten das Schiff und waren sicher, dass es sie ebenfalls spürte. Viele der Decks wurden vom Nebel verhüllt, deshalb konnten sie nur ein Labyrinth aus gedrungenen Formen und Schatten erkennen, überragt von der Brücke. Cook ging voraus, entlang an den aufragenden Hörnern der Heizungs- und Belüftungsrohre, den klotzigen Deckhäusern und den hohen, runden Geschütztürmen.
    »Muss ein Kriegsschiff gewesen sein«, vermutete Cook, »bei den ganzen Kanonen.«
    »Wenigstens konnten sie sich zur Wehr setzen, als sie hier gestrandet sind.«
    Das Deck quietschte unter ihnen wie Türen in einem verfallenen Haus. Das Schiff kam Cook vor wie ein riesiger, von seinem Grab ausgespuckter Sarg, ein modriges, salpetriges Etwas voller nasskalter Geheimnisse und klebriger, kriechender Schatten. Die Atmosphäre wirkte verdorben und giftig, erfüllt mit einer nagenden Sorte seelischer Pestilenz, die er bis ins Mark seiner Knochen spürte. Über allem hing der fast greifbare Geruch nach Fäulnis und Alter. Alles rostig und schief und dem Verfall preisgegeben. Große, klaffende Löcher hatten sich in die Decks und Schotten gefressen, als hätte jemand großzügig mit Säure um sich gespritzt. Alles in allem trostlos und unheimlich und so abweisend, dass sich einem das Innerste zusammenzog und verkroch.
    Sie gingen nach achtern, überprüften bei jedem Schritt sorgsam die Stabilität des Decks, denn es machte den Eindruck, als könnte das gesamte Schiff jeden Moment unter ihnen zusammenbrechen. Als sie an den skelettartigen, ausgestreckten Armen der Ladebäume und Kräne vorbeikamen, sahen sie, dass auch sie von Pilzgeflechten überwuchert wurden.
    »Wie Wachs«, sagte Fabrini. »Es tropft und läuft überallhin.«
    Als sie genug gesehen hatten, drehten sie um und gingen zurück nach vorne zur Brücke. Nebelfinger schlängelten sich aus den düsteren, aufdringlichen Schatten der zerfetzten Schotten und verbogenen Luken. Der Gestank des Schiffs hing als muffiger Dunst über allem, dick, alt und abstoßend. Wenn tatsächlich etwas auf diesem Schiff lebte, dann konnte es nichts Gutes sein, nichts der geistigen Gesundheit Zuträgliches – mit etwas, das unter solchen Umständen leben und sich vermehren konnte, wollte man lieber nichts zu tun haben. Hin und wieder spürte Cook ein leichtes Rumpeln unter Deck, als verlagerten sich dort irgendwelche morbiden Gewichte, als wachten sie auf und saugten die verpestete Luft ein.
    Als sie den Fuß der Brücke erreicht hatten, blieben sie stehen, beide außer Atem, aber nicht wegen der Anstrengung.
    »Wir ... wir sollten zurückgehen«, schlug Fabrini so hoffnungsvoll vor, dass es schwerfiel, ihn zu enttäuschen.
    Aber Cook schüttelte den Kopf. »Ich schlage vor, dass wir raufgehen und uns die Brücke ansehen. Eventuell finden wir da noch etwas Brauchbares. Wenn du willst«, sagte er, als er nach dem Handlauf der Leiter griff, »kannst du ja hier warten.«
    Fabrini blickte sich um, sah die Schatten und tastenden Fühler des Nebels und sagte: »Ja, du mich auch. Gehen wir.«
    Es war fast schon komisch, Fabrini so zu erleben. Oh, Cook verstand seine Angst, denn er spürte sie selbst, sie klebte wie Schweiß an ihm. Aber ein derart verängstigter Fabrini bot einen grotesken Anblick – zusammen mit all seinen beeindruckenden Muskeln.
    Cook stieg die Leiter hinauf, dicht gefolgt von Fabrini. Sie schauten nicht nach unten, bis sie sicher auf dem Steg angelangt waren, der um das kastenförmige, rechteckige Ruderhaus führte. Von dort hatten sie einen guten Blick auf den geisterhaften Nebel um das Schiff, auf die endlose Weite der Algenteppiche und den Dunst, der wie Rauch von ihnen aufstieg. Wenn man so in diese gespenstische Welt hinausschaute, fiel es schwer, nicht an Meeresungeheuer und Geisterschiffe zu glauben – oder an Schlimmeres.
    »Was für eine Aussicht«, bemerkte Cook.
    »Ja, man bekommt direkt Lust, sich die Pulsadern aufzuschneiden.«
    Anders

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