DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
nannte, beschloss, ein wenig die Muskeln spielen zu lassen. Er holte sechs Gefangene aus der Arrestzelle und ließ sie an Deck aufmarschieren. Vor den Augen der versammelten Besatzung erschoss er sie der Reihe nach. Mit einer 45er mitten in den Kopf.«
»Netter Bursche«, sagte Fabrini. »Erinnert mich an Saks.«
»Doch danach überwältigte die Besatzung Worley, schloss ihn in seiner Kajüte ein und befreite Forbes, den Ersten Offizier. Anscheinend hatte Worley ihn eingesperrt, als er sich nach dem gewaltsamen Tod eines Matrosen gegen den Kapitän stellte. Den Aufzeichnungen zufolge klingt es so, als trage Worley an dem Vorfall die Schuld, aber niemand außer Forbes hatte den Mumm, es ihm ins Gesicht zu sagen.«
Forbes muss offenbar sehr beliebt gewesen sein. Es gelang ihm, die Besatzung zusammenzuhalten, aber die Motoren waren irreparabel beschädigt. Es gab keine Hoffnung. In der Nacht – oder was immer man hier als Nacht bezeichnen konnte – wurden mehrere Rettungsboote zu Wasser gelassen, und ein großer Teil der Besatzung und der Passagiere ruderten in den Nebel hinaus. Das war das Letzte, was man je von ihnen hörte.
»Lies das hier«, sagte Cook. »Es ist wichtig.«
Fabrini seufzte, nicht gerade erfreut über diese Lektion in Geschichte. Doch er beugte sich über den Kartentisch und entzifferte im öligen Licht:
15. März 1918 (Position unbekannt)
Lage verschlimmert sich. Sind jetzt seit fast acht Tagen in diesem verdammten Nebel. Gefangen in einem Urwald aus Tang ohne Möglichkeit zu entkommen. Einige der Männer haben vorgeschlagen, und ich kann es ihnen nicht verdenken, dass wir die Cyclops aufgeben. Sie ist jetzt ein Totenschiff, ein Wrack, ein großes Grab für uns alle, wenn wir sie nicht verlassen. Aber wo sollen wir hin? In diesen abscheulichen dichten Nebel und das dampfende Algenmeer?
Auch wenn ich es vor der Besatzung nicht zugeben will, so fürchte ich, dass es keine irdische Errettung von diesem Ort gibt. Denn dies ist nicht unsere Welt. Dies ist nicht der Atlantik. Das Meer ist auf keiner Karte verzeichnet. Ich weiß nicht, wo wir uns befinden. Da ich unter Arrest stand, als wir in den Nebel hineinfuhren, konnte ich dieses Ereignis nicht beobachten. Was die anderen Offiziere und Dr. Asper mir jedoch berichteten, ist in der Tat besorgniserregend.
Asper hat angedeutet, dass wir mittels einer uns unbekannten Verbindung, die etwas mit der Verzerrung von Raum und Zeit zu tun haben könnte, in eine fremde Welt oder Daseinsebene transportiert worden sind. Ich besitze nur begrenzte Kenntnisse in Physik, doch Asper sagt, man könne diese Verzerrung mit einem Riss in einer Wand vergleichen, einem Loch, durch das wir gefallen seien. Auch wenn es fantastisch klingt, stimme ich ihm zu. Ich habe keine andere Wahl. Ich erinnere mich an eine Erzählung von H. G. Wells, in der ein Chemiker durch eine Laborexplosion in eine andere, schreckliche Dimension geschleudert wurde. Unser Schicksal erinnert mich daran.
Ich frage mich, welchen Albträumen die Besatzungen der entwendeten Rettungsboote wohl entgegenrudern mögen ...
16. März 1918 (Position unbekannt)
Auch wenn es verrückt klingen mag oder wie ein haarsträubendes Kapitel aus einem ebenso haarsträubenden Roman, so muss ich doch die Schrecken niederschreiben, die wir im Nebel erblickt oder gespürt haben. Zweimal sichteten wir eine gewaltige, leuchtende Bestie, welche die Tangfelder heimsucht. Sie scheint die Fähigkeit zu besitzen, kraft ihres Willens zu leuchten. Über ihre Form kann ich nichts Bestimmtes sagen, da mir nur ein kurzer Blick zuteilwurde. Doch ihre Größe ist beträchtlich. Die Männer der Wache behaupten, sie hätten langhalsige Kreaturen gesehen, die sich aus dem Tang erheben, und braune Würmer groß wie Pythons. Sie berichten auch von ungewöhnlichen Flecken, die sich unabhängig von der Hauptmasse zu bewegen schienen. Ich gebe zu, es ist schwer zu glauben, doch ich selbst habe ein fledermausartiges Ungetüm, das ich zunächst für eine gigantische Motte hielt, aus dem Nebel kommen und über Deck fliegen sehen.
Ich weiß, wir müssen das Schiff aufgeben, doch hege ich Zweifel, wie lange wir in dieser unheimlichen urtümlichen See bestehen können. Denn es gibt Leben dort im Nebel, obszönes und schemenhaftes Leben ...
17. März 1918 (Position unbekannt)
Captain Worley ist nun gänzlich dem Wahnsinn anheimgefallen. Ich sprach vor wenigen Stunden mit ihm, und jener polternde, unduldsame Mann, den ich so gut kannte,
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