DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)
ganzen Sampans im Kanal im Auge behalten. Die meisten waren nur schlitzäugige Fischer, Papa-san und sein Netz, aber manchmal lief man auch mal einem Vietcong über den Weg.«
Menhaus war eigentlich nicht in der Stimmung für Kriegserinnerungen. Er beobachtete die Schatten und musste an das schwarze, triefende Zeug denken, das Makowski beinahe verschlungen hätte. Er fragte sich, ob es womöglich zurückkehrte und ob er wirklich dieses Frauengesicht darin gesehen hatte.
»Was hat der Fluss mit den Ratten zu tun?«, fragte er.
Saks erklärte es ihm: »Eines Tages bekommt der Chef einen Funkspruch von einem A-6-Piloten. Da sei ein Lastkahn, der flussabwärts treibt und verlassen aussieht. Wir sollen ihn überprüfen – mal eben schnell, so wie immer. Die Kommandostelle behauptet, das Teil sei eine Gefahr für den Schiffsverkehr, und der Chef ist angepisst. Gefahr für den Schiffsverkehr? Da unten in dem ganzen Schlick und Matsch? Am Arsch. Kommando sagt, wir sollen mal einen Blick drauf werfen, und wenn’s verlassen ist, schicken sie ein paar Kampfschwimmer oder SEALs hin und blasen es in die Luft.«
»Also seid ihr an Bord des Kahns gegangen?«
»Da kannst du einen drauf lassen.«
»Und was habt ihr gefunden?«
Saks biss die Zähne zusammen. »Der Kahn war genau wie dieser Pott hier – dreckig, rostig und undicht. Voller Spinnen und Schleim, und es stank nach Verwesung. Millionen Fliegen. Wir fanden ein Waffendepot und kassierten es ein. Und dann fanden wir die Leichen ...«
Etwa 20 Vietcong-Pioniere hatten den Lastkahn als Stützpunkt benutzt, berichtete Saks, um Waffen und Munition, Sprengstoff und Zündschnüre zu deponieren. Alles, was man brauchte, um jede Menge Ärger anzurichten. Die Leichen hatten da seit über einem Monat gelegen, ganz schwarz und verrottet, die Würmer waren fertig mit ihnen. Nur noch Hüllen. Wie Mumien. Abgenagt und überall mit Bissspuren an den Knochen.
»Und da tauchten die Ratten auf«, fuhr Saks fort. »Hunderte davon. Ihre Augen leuchteten rot im Licht unserer Taschenlampen. Die Biester versteckten sich in den dunklen Ecken und dem ganzen Müll – aber als sie uns sahen, waren sie hungrig genug, um herauszukommen. Sie hatten die Leichen bis auf die Knochen abgenagt, und jetzt wollten sie frisches Fleisch, und zwar sofort.«
Saks erzählte, wie sie aus der Dunkelheit angriffen, quiekend und zwitschernd und mit den Zähnen schnappend. Die Männer feuerten auf sie, trieben die meisten zurück, aber immer noch kamen Dutzende durch und bissen und kratzten sie bis aufs Blut.
»Was habt ihr gemacht?«
»Wir haben gemacht, dass wir von dem Kahn runterkamen. Aber weißt du was?«
Menhaus schüttelte den Kopf.
Saks grinste. »Diese Mistviecher waren so ausgehungert, dass sie nach unserer Flucht vom Schiff ins Wasser gesprungen und hinter uns hergeschwommen sind. Der Chef hat Heizöl auf dem Wasser ausgekippt und es angezündet. Große Grillparty. Was für ein Gestank! Den werde ich nie vergessen. Die A-6-Piloten kamen und schmissen Napalm auf das Boot, bis nur noch ein schwarzer, qualmender Rumpf übrig blieb. Dann jagten sie ein paar Raketen rein, und es versank.«
»Verdammt«, meinte Menhaus. »Scheiß Ratten.«
»Und weißt du was?«, schloss Saks. »Das ist der Grund, weshalb ich diesen Dreckskahn hier so hasse, weil er nämlich genauso riecht wie der Lastkahn damals. Nach Ungeziefer und Knochen und Tod.«
22
Natürlich wusste George nicht viel über Pollard. Er glaubte, ihn ein- oder zweimal auf der Mara Corday gesehen zu haben, hatte aber nie ein Wort mit ihm gewechselt. Es war Goslings Idee, dass er sich einmal mit Pollard unterhalten sollte. Pollard bräuchte jemanden zum Reden, einen verständnisvollen Zuhörer, hatte Gosling gesagt. Also setzte George sich, während die anderen sich in die Riemen legten, zu dem Kerl aufs Floß.
»Es gibt ziemlich üble Sachen in diesem Nebel, nicht wahr?«, versuchte George das Eis zu brechen.
Pollard sah ihn nicht einmal an.
»Ich habe gehört, du bist eine Weile im Wasser rumgetrieben.«
Pollard zuckte die Schultern.
»War bestimmt nicht schön, so ganz allein da draußen.«
Pollard räusperte sich. »Ich bin nicht allein gewesen.«
Kontakt. »Wer war bei dir?«
Pollard warf ihm einen kurzen Blick zu, als könne er nicht glauben, dass George tatsächlich so naiv oder dumm war. Und man konnte es fast in seinen Augen lesen: Man ist hier niemals allein, George, ist dir das noch nicht aufgefallen?
»Ich bin mit Gosling
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