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DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition)

Titel: DEAD SEA - Meer der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Curran
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konnte einfach dasitzen, so wie George, und zusehen. Zusehen, wie der Nebel sich bewegte und atmete und strudelte, voller Wirbel und heimlicher Düsternis, etwas Vergorenes und Destilliertes, das von seinem eigenen zerfallenden, dampfenden Mark zehrte. Und man konnte den Abwassergestank von überlasteten Kläranlagen und laubverstopften Zisternen riechen.
    Ein abstoßendes Gebilde, eine alles verschleiernde Wüste, die einen bei lebendigem Leibe verschlucken und umkrempeln und in ihrem schwelenden Gespinst langsam ersticken konnte.
    Und als der Nebel dichter wurde, verdunkelte sich die Welt. Daran konnten sie erkennen, dass sich die Nacht im Anmarsch befand, oder was an diesem Ort als Nacht galt. Eine Zeit lang war es jetzt heller gewesen, Nebel und Meer durchdrungen von diesem schmutzigen Licht, das zu Hause ganz sicher nicht als sonniger Tag gegolten hätte, höchstens als bedeckter, verregneter Nachmittag. Aber selbst dieses Dämmerlicht endete nun allmählich. Eine Dunkelheit wurde aus dem Nebel geboren, eine schleichende Düsternis. Das Licht verblasste.
    Aber für wie lange?
    Das war die entscheidende Frage: Wie lange dauerte hier die Nacht und wie lange der Tag? Es musste doch einen Rhythmus geben, ein Muster. Nach dem, was Gosling gesagt hatte, bestand die einzige Möglichkeit, halbwegs genau zu berechnen, wie lange sie sich schon hier befanden, in seinem System der Nahrungs- und Wasserrationierung. Laut dem, was sie bisher verbraucht hatten, steckten sie jetzt schon vier Tage in diesem Nebel fest.
    Vier Tage.
    Allmächtiger.
    Der erste Tag, erinnerte George sich, war dunkel gewesen, das einzige Licht spendete der Nebel selbst. Das musste die Nacht gewesen sein. Obwohl es niemals so dunkel gewesen war wie in einer dunklen Nacht zu Hause. Also hatte den ganzen ersten Tag lang Nacht geherrscht, und danach hatten sie etwa drei Tage lang Tageslicht gehabt. Hieß das, dass es jetzt für einige Tage dunkel blieb?
    Die Vorstellung wirkte beinahe unerträglich.
    Und George dachte: Ich bin in einem gottverdammten Roger-Corman-Film gefangen.
    Oder in einer Skinner-Box. Ratten in einem Labyrinth, mit genug Essen und Wasser, um sie am Leben zu erhalten, und einem Stückchen Käse vor ihrer Nase, damit ihre Gehirne nicht komplett zu Brei wurden. Und dieses Stückchen Käse entsprach natürlich der Hoffnung, möglicherweise Land oder ein anderes gestrandetes Schiff zu finden. Alles wäre ihnen recht. Wenn sie nur die Füße auf etwas Festes setzen konnten, auf etwas, das groß genug war, um darauf herumzulaufen und so zu tun, als sei man nicht in diesem toten Meer gefangen.
    Wenn die Lage verzweifelt genug schien, brauchte es nicht viel, um einen Menschen glücklich zu machen.
    Aber bisher ist noch niemand wirklich verrückt geworden, dachte George. Jedenfalls nicht auf die tobsüchtige, glutäugige »Ich-schneid-dir-die-Kehle-durch«-Weise verrückt. Noch nicht. Gut, Pollard ist schwer verstört – aber das ist ja nicht dasselbe, oder?
    Nein, es war nicht dasselbe, das wusste er. Aber er wusste auch, dass es kommen würde, denn er konnte es in ihren Augen sehen, genau wie sie es in seinen sehen konnten. Der Wahnsinn lauerte dort draußen, direkt vor ihnen. Er wartete auf sie. Sie konnten nicht ewig in dieser Düsternis dahintreiben. Denn dann wäre der Verpflegungsmangel noch ihr geringstes Problem. Der menschliche Geist ließ sich nur zu einem gewissen Maß belasten, und dieser Nebel erstickte sie langsam, aber sicher.
    George betrachtete das schleimige und von einer schmutzigen Haut aus Algen und verrotteter organischer Materie bedeckte Meer. Auf allen Seiten gab es diese ausgedehnten, gewaltigen Inseln aus verfaulendem Seetang. Ja, diese Welt brachte sie letztlich geistig um, wahrscheinlich aber auch körperlich; Gott allein wusste, was für Giftstoffe sie hier Minute für Minute einatmeten.
    George saß da und fühlte, wie sich der Schlaf schwer auf ihn niedersenkte.
    Stumpfsinnig starrte er auf seinen Handrücken, als er bemerkte, dass ein Licht daraufschien. Ein trübes, schmutziges Licht, und es stammte nicht vom Nebel. Er wusste nicht, wie lange dieses Licht schon da war.
    Er schaute auf und registrierte, wovon das Licht ausging.
    Auch die anderen nahmen es wahr. Verblüfft starrten sie auf das, was sich über ihnen befand, oberhalb des Nebels.
    »Na, leck mich am Arsch«, staunte Marx.
    Denn über dem Nebel kam – schemenhaft und verschwommen, aber trotzdem deutlich zu erkennen – der Mond heraus. Genauer

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