Dead Souls: Horror (German Edition)
klammerte sich mit zwei Fingern an den Türknopf. Sie zog daran.
Das wahnsinnige Keuchen hinter ihr wurde lauter und einen Augenblick kam es ihr vor, als handelte es sich um einen Versuch zu sprechen. Sie schaute zu den packenden, gebogenen Todeshänden auf, die Worte »Rette meine sterbende Seele« kamen ihr in den Sinn. Irgendetwas veränderte sich, und dann tauchte ein Kopf hinter dem Sitz auf.
Liebe Maria-Mutter-Gottes!
Es war Ed. Mysteriöser als im Fahrersitz irgendeines Vans inmitten eines fremden Weizenfelds aufzuwachen, war die Tatsache, der Totenfratze ihres Ehemanns gegenüberzustehen. Sein Gesicht war ein aufgeblähtes Chaos, so blutlos weiß wie seine Hände schwarz waren. Seine Wangen waren eingefallen und mager, voller Blut und Schimmel. Seine Augen, ein trübes Graublau, waren mit furchtbarem Intellekt, mit furchtbarem Bewusstsein geladen. Seine Lippen spalteten sich und produzierten ein Geräusch, als öffnete man einen Klettverschluss. Schwarzes Blut triefte in doppelten Rinnsalen aus seinen Mundwinkeln. Eine Plastiksonnenbrille baumelte wie ein windgebeutelter Ast an seinem rechten Ohr.
Mary zerrte an dem Türgriff, jetzt nahm sie Eds schwarzen, schwammigen, nach verfaultem Kürbis riechenden Gestank furchtbar wahr. Sie stützte sich mit den Füßen am Lenkrad ab und verlagerte ihr ganzes Gewicht gegen die Tür. Diese flog nach außen in das Getreide auf, was ihr vielleicht 30 Zentimeter an Fluchtmöglichkeit verschaffte. Mary schlängelte sich vorwärts, hielt sich am Rand der Tür fest und zog sich nach vorn; sie fragte sich, ob das alles die Mühe wert war, nur um dann den Rest ihres Lebens in einer kalten Irrenanstalt zu verbringen. Der bittere Geruch von Weizen und Erde überfiel sie.
Ed keuchte erneut, und als Mary sich umdrehte, sah sie eine dicke Rille in seinem Hals, die sich wie ein Mund öffnete. Mit alarmierender Geschwindigkeit kletterte er über den Sitz, packte ihre Beine und zog sie zurück. Mary wehrte sich vergeblich, ihre Hände griffen blindlings nach dem Handschuhfach, das aufklappte und seinen papierenen Inhalt auf den Boden erbrach. Er zerrte erneut an ihr herum. Ihr schlanker Körper rollte über den Sitz, knallte gegen die Decke und dann auf den harten Boden. Irgendwo in ihr drinnen krachte etwas laut. Weißglühende Schmerzen schossen durch ihren Torso.
Durch ein verschwommenes Sichtfeld schaute Mary zu ihrem Monster-Ehemann auf, seine milchig weiß beschichteten Augen richteten sich obszön auf sie. Die schreckliche Furche in seinem Hals flappte auf, und er keuchte erneut. Geronnenes Blut spritzte heraus und Mary ins Gesicht. Schwarze Rotzbrocken explodierten aus seiner Nase, als er Mary ohne frühere Vertrautheit betrachtete, nur mit zielgerichteter Wut und Absicht.
Mary plapperte: »E-Ed … was … ist … das …?«
Ed keuchte. Wieder klang es, als versuchte er zu sprechen. Mary hörte: »Sterbende Seelen …«
Und dann stürzte er sich auf Mary, unglaublich schnell und unglaublich kräftig.
Kapitel 37
09. September 2005
02:48 Uhr
Johnny hielt eine Bibel in den Händen. Sie hatte schon bessere Zeiten gesehen, zerfleddert und zerrissen und an jeder Ecke ausgefranst. Auf fast jeder Seite verlief eine riesige Abfolge von fanatischen Zeilen kreuz und quer zwischen eingekreisten Buchstaben und Wörtern.
»Wenn es dir auffällt«, sagte Henry belehrend, »stehen zwischen den halbierenden Linien fette schwarze Buchstaben, die untereinander ausgeschrieben einen Satz ergeben. Das gleiche Muster auf jeder Seite. Es handelt sich um einen Code.«
»Ein Code …« Staunen überkam Johnny, und obwohl er müde war, Schmerzen hatte und verängstigt war, wollte er mehr von Benjamin Conroys – seines Vaters – mysteriöser Vergangenheit hören.
Offensichtlich zappelig und nervös beugte sich Henry nach vorn und fing an, Johnny von den Ritualen zu erzählen, die Benjamin an sich und seiner Familie durchgeführt hatte. »Aufgrund des Codes, den Benjamin in der Bibel gefunden hat, war er der Auffassung, dass Jesus von den Toten auferstanden ist, weil er selbst die magischen Rituale, wie im ägyptischen Totenbuch dargestellt, untersucht hat.« Henry streckte den Arm aus und griff nach einem Notizbuch auf seinem Schreibtisch. Er öffnete es und zeigte es Johnny; es war voller gekritzelter Texte. »Dieser Satz wiederholt sich an 17 verschiedenen Stellen im Neuen Testament:
Ich, Jesus Christus, flehe dich, oh Geist Osiris aus der Unterwelt, bei der allwaltenden Hoheit
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