Dead Souls: Horror (German Edition)
verbranntem Schwefel und verfaultem Gemüse stinkt. Er packt mich und wirft mich zu Boden. Ich krabble auf Knien und warte inmitten des Sturms, bis er nachlässt; Benjamin und ich werden keuchend in absoluter Stille zurückgelassen. Vor Kälte plötzlich schlotternd stehe ich mühsam auf und will Benjamin befreien, aber er weigert sich, indem er sagt: ›Das Baby … im Keller‹«
»Das Baby«, meinte Johnny zitternd. »Ich.«
»Also reiße ich mich von Benjamin los und renne aus der Scheune, durch den Garten und in das Haus, wo die Blutspur am dicksten ist. Ich finde die Kellertür und ziehe an der kleinen Kugelkette im Foyer, das nach unten führt. Die enge Treppe wird angeleuchtet, und hier sehe ich den Körper von Eddie Carlson ausgebreitet am Fuß der Treppe in einer Blutlache liegen. Ich stürme hinunter, aber erkenne sofort, dass Eddie tot ist. Kein einziges Mal nehme ich an, dass er das Opfer von einem übernatürlichen Leben nach dem Tod geworden ist; in ihm fließt kein Conroy-Blut, und er ist nicht gekreuzigt worden. Vielleicht sind meine Vermutungen von Verleugnung erfüllt, aber meine einzige Aufgabe ist jetzt – wie sie es war, seit ich einen Fuß in die Scheune gesetzt habe – diejenigen zu retten, die irgendeiner Gefahr ausgesetzt sind. Hier im Keller sollte ein Baby sein, aber die Stille täuscht mich, und ich ziehe kurz in Erwägung, dass Benjamin mich in eine dunstige, dunkle Falle gelockt hat. Ich bleibe inmitten eines Labyrinths aus Pappkartons stehen. Ich lausche und gebe fast meine Suche auf. Aber dann höre ich etwas: Es ist das Wimmern eines Babys! Und nicht weit entfernt! Hektisch folge ich seinem ängstlichen Rufen in einen Kriechkeller in der Betonwand. Drinnen sehe ich etwas in Leinensäcke und Lumpen gewickelt. Ich greife danach, ziehe es heraus und finde Baby Bryan Conroy …«
»Mich«, sagte Johnny.
»Ich packe den kleinen Jungen aus. Sein Gesicht ist vor lauter Tränen aufgedunsen, aber er scheint unverletzt zu sein. Schnell renne ich zurück durch den Keller, vergewissere mich, dass ich über die Leiche des armen Eddie Carlson steige, der, wie ich nur vermuten kann, unabsichtlich in dieses Massaker hineingeraten und somit selbst Teil davon geworden war; vielleicht hatte er sogar in dem mutigen Bestreben, das Baby zu retten, sein eigenes Leben geopfert. Ich drücke das Baby fest an mich und taumle die Treppe nach oben, ich folge der Blutspur nach draußen und realisiere erst jetzt, dass sich Benjamin Conroy, hingebungsvoller Vater und Ehemann, verehrter Pastor der ›Organisation Gottes‹ der Ausübung dieser brutalen Morde an seiner Familie und Eddie Carlson schuldig gemacht hat. Und erst als ich die unterste Stufe der Veranda erreiche, frage ich mich: Wer hat Benjamin gekreuzigt?«
Henry legte eine Pause ein, und Johnny wollte neugierig wissen: »Wer war es, Henry? Wer hat Benjamin gekreuzigt?«
Aus Henrys Augen, die vor Nässe glänzten, strömten die ersten Tränen.
» Ich stelle mir gerade diese Frage, die mir dann beantwortet wird. Benjamin taucht an der Scheunentür auf. Er ist auf Knien, Hände und Füße zerfetzt und voller Blut, da er sie von dem Kruzifix gerissen hatte; ich kann einen Nagel sehen, der immer noch tief in seiner rechten Hand steckt. Ich drücke das Baby fester an mich und gehe ein paar Schritte vorwärts, aber Benjamin Conroy ruft: ›STOPP!‹ Meinen unangebrachten Fragen wird allerdings augenblicklich entgegengewirkt. Er brüllt: ›Es war nicht mein Werk. Es war die Dunkelheit – der Vogel, der ihre Seele in sich trägt. Man hat mich getäuscht. Es war nicht Osiris. Es war die Dunkelheit …‹ Zuerst verstehe ich ihn nicht – seine etwas unsinnigen Worte sind durch seine starken Schmerzen und sein Leid noch unverständlicher. Aber dann sehe ich sie, diese Dunkelheit, von der er spricht. Sie packt ihn … ein Schatten mit schwarzen, die Gestalt verändernden Gliedmaßen und vertrockneten Federn, die von seiner gewaltigen Masse hinunterschweben. Das Wesen taucht aus den Tiefen der Scheune auf und verschluckt Benjamin, als er versucht davonzukriechen. Sein Gesicht hebt es sich bis zum Schluss auf … sein Gesicht mit dem einen Auge, das er vor Entsetzen weit aufreißt, und dem blutenden Mund, der schreit: ›Sorge dafür, dass es Bryan nicht erwischt, bring ihn weg!‹ Und ich versuche zurückzuweichen, aber irgendetwas hält mich zurück, zieht mich näher zur Scheune hin, und plötzlich sehe ich einen Vogel, der sich auf dem Scheunendach
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