Dead Souls: Horror (German Edition)
leicht vom dem Licht des Herrn Osiris angestrahlt. Er faltete die Hände, den Stab fest zwischen den Handflächen eingeklemmt. Das Anch-Kreuz am Ende des Stabes wurde heller. Benjamin sprach mit monotoner Stimme: »Und hier bin ich, ich stehe am Kreuz des Lichtes, das tief in die Astralebene reicht, wo der Herr Osiris wohnt. In mir scheint der fünfzackige Stern, und damit flehe ich dich, Osiris, an, dem Kind Bryan Conroy heute, an seinem ersten Geburtstag, das ewige Leben zu schenken.«
Das rauchige Feuer brannte trotz des Mangels an Zündholz hell. Benjamin atmete kurz und flach, während er weiterhin den glühenden Lichtstrahl anstarrte, der jetzt vollständig von dem Anch-Kreuz am Ende des Stabes verschluckt wurde. Er stellte ziemlich schnell fest, dass er kein Zeitgefühl mehr hatte, er spürte nur noch die stickige Hitze und den dicken, nebeligen Rauch. Seine Augen fingen zu brennen an, Tränen schossen heraus.
Das Licht des Stabes breitete sich wie ein Wasserfleck aus, das langsam durch die Luft glitt, über das Dreieck, in dem immer noch das Feuer brannte. Es ist Zeit!
»Osiris kommt, um uns das ewige Leben zu schenken!«, schrie er. »Legt das Baby in den Kreis! Jetzt!« Mit dem Stab über dem Feuer, trat Benjamin schnell an die oberste Spitze des Dreiecks und schaute seine Familie an. Faith entfernte die Decke von Bryan und lief in den Kreis. Ihr Gesicht, das immer noch von der schwarzen Kapuze umgeben war, war kreidebleich, die Nase lief, die Augen waren geschwollen und feucht. Elizabeth und Daniel beugten sich nach vorn, die Brust senkte sich auf und ab, da sie beide kurz und flach atmeten. Das Baby, jetzt näher an dem beißenden Rauch, fing an hemmungslos zu husten.
Faith legte Baby Bryan in den Kreis, dann taumelte sie wieder zurück auf ihre Position außerhalb der Grenze.
Benjamin trat mit dem Stab, dessen druckgegossenes Ende mit der Hitze des Feuers leuchtete an den Kreis und malte ein Anch-Kreuz in die Luft über Bryan, während er die ganze Zeit in die Spiegel starrte.
Unter den schlimmen Schreien und Hustenanfällen von Baby Bryan sagte Benjamin die Beschwörung Gottes auf, wie er sie aus dem Zauberbuch des Honorius gelernt hatte:
»Ich, Benjamin Conroy, beschwöre dich herauf, oh Geist des Gottes Osiris, beim lebenden Gott, beim wahren Gott, beim heiligen und allmächtigen Gott, der aus dem Nichts den Himmel, die Erde, das Meer und alle Dinge darin geschaffen hat, kraft des heiligsten Sakraments Jesu Christi, und bei der Kraft des allmächtigen Sohn Gottes, der für uns und für unsere Erlösung gekreuzigt wurde, der den Tod erlitten hat und begraben wurde; der durch die Kraft des Geistes des Herrn Osiris wieder auferstanden ist und der jetzt zur Rechten des Schöpfers der Welt sitzt, von wo er mit Osiris’ Zustimmung über die Lebenden und die Toten richtet.«
Faith, Elizabeth und Daniel antworteten alle schwach: »Amen.«
Benjamin hielt das Ende des Stabes wieder in das Feuer, dann wiederholte er 13 Mal: »Vor mir, Osiris. Vor mir, Osiris. Vor mir …«
Nachdem Aufruf verflüssigte sich die Oberfläche des Spiegels, spiralförmig floss sie nach innen, um schnell einen silbernen Strudel zu formen. Der Strudel nahm augenblicklich die gesamte Oberfläche des Spiegels ein, brodelte energisch, dabei erzeugte er ein Geräusch wie das eines tosenden Ozeans. Benjamin starrte eine Minute lang darauf, vielleicht auch länger. Schaute. Horchte. Während die Sekunden vergingen, wurde der Sprudel dunkler, der äußere Rand wurde fast schwarz und leuchtete wie Onyx. In der Mitte bildete sich ein Brennpunkt aus goldenem Licht, der sich mit der Zeit vergrößerte, als der Strudel turbulenter wurde.
In Benjamins Kopf: Vor mir, Osiris. Vor mir, Osiris . Er spürte, wie sich sein Körper erhob und als er hinunterschaute, konnte er dennoch sehen, dass seine Füße immer noch den Boden berührten. Er konnte den Stab in der Hand nicht länger fühlen, aber seine Faust hielt den Griff immer noch eng umschlossen, das stählerne Ende unter den Funken sprühten rot leuchtende Flammen. Die Energie der göttlichen Vorsehung ist mit mir … ich schwebe …
Er schaute wieder in den Spiegel, seine Augen hafteten sofort an dem größer werdenden winzigen Lichtpunkt. Aus dem Licht hörte man das Ticken einer Standuhr, das scheinbar alle existierenden Geräusche in dem Raum dämpfte:
Bryans permanentes Jammern und Husten, das Würgen und das nervöse Scharren hinter ihm.
Benjamin brüllte: »Vor mir,
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