Dead Souls: Horror (German Edition)
Osiris!«
Der größer werdende goldene Lichtpunkt verschluckte auf einmal den silbernen und schwarzen Strudel und nahm die gesamte Oberfläche des Spiegels ein. Benjamin wurde augenblicklich geblendet. Er schaute sich verwirrt um, dann richtete er seinen Blick nach unten, wo er sehen konnte, wie Baby Bryan seine tränenfeuchten Augen vor dem angreifenden Licht verschloss.
Oben donnerte es laut, die Lichtstrahlen erzitterten, und es übertönte das laute Ticken der Uhr. Staub und Stroh wehten von den Dachsparren und regneten auf die übernatürliche Szene herab. Pilate jaulte jetzt draußen.
Aus dem mächtigen goldenen Licht erschien der Geist des Herrn Osiris.
Zuerst war die Gestalt des Geistes nur ein entfernter Schatten, der sich jedoch schnell näherte, bis er letztlich den Großteil des Lichts blockierte. Sobald der Geist seine echte Form angenommen hatte, trat er nach vorn, aus dem Licht heraus – aus der Astralebene heraus – in die Scheune, wo er vor der Conroy-Familie in all seiner spirituellen Herrlichkeit stand, eingerahmt von einer goldenen Aura.
Benjamin rang plötzlich nach Luft und musste sich wegen des Keuchens, das herauskommen wollte, an den Hals fassen. Er war erschrocken – so eine bedrohliche Gestalt war bei den vier anderen Beschwörungsritualen, die ihm, Faith, Elizabeth und Daniel das familiäre ewige Leben zusagten, noch nie erschienen. Nein, in der Vergangenheit war Osiris immer als ein Lichtschimmer und eine Stimme erschienen! Warum zeigt er sich jetzt?
Benjamin bemerkte, dass das Eintreten des Geistes in die physische Ebene dies verursacht hatte, dass alle üblichen Elemente in der Umgebung wiederhergestellt wurden: Der Wind pfiff durch die Ritzen, packte den Rauch und verbreitete ihn in der Scheune; Baby Bryans panisches Würgen; der trockene Husten von Faith, Elizabeth und Daniel.
Zusammen mit seinem wilden Herzschlag.
»Du bist es«, stammelte Benjamin schließlich, die Lippen vor Ehrfurcht zitternd, alle Nervenbahnen in seinem Körper vor Angst erstarrt.
Osiris’ Erscheinung war in der Tat absolut einschüchternd: Er trat als großer, bärtiger Mann auf, war mit einem langen schwarzen Gewand aus Moiré-Seide bekleidet, das fast den Boden berührte. Er trug ein schwarzes ägyptisches Nemes-Kopftuch, langes dunkles Haar hing über seine Schultern. Um seinen Hals hing eine Kette, an der ein goldenes Amulett in der Form des Anch-Kreuzes hing. In seiner rechten Hand hielt er einen dunklen Eisenstab, dessen Ende ebenfalls mit einem goldenen Anch-Kreuz versehen war. In seiner linken Hand hatte er einen leuchtenden Kelch, ein Porträt eines Bullen mit einem Ring in der Nase war in dessen Oberfläche geätzt. Ohne seinen Körper zu bewegen, breitete der Geist auf einmal ein Paar schwarze gefiederte Flügel aus, die fast metallisch wirkten, ihre Spannweite betrug vielleicht zehn Fuß von einem Ende zum anderen.
Der Geist starrte Benjamin mit Ringen unter den Augen an. Diese waren so schwarz wie frischer, heißer Teer, und Benjamin konnte erkennen, wie sich sein eigenes angsterfülltes Gesicht darin spiegelte. »Vollbringe deine Tat«, sagte der Geist von Osiris, dessen Stimme viele Oktaven niedriger war, als eine menschliche Stimme jemals sprechen konnte – für Benjamin klang sie wie ein Roboter.
Benjamin zog den Stab aus dem Feuer; wie ein Schwarm Fliegen flogen Funken in die Höhe. Während er das große schwarze Wesen vor ihm anstarrte, verkündete er: »Allmächtiger Herr Osiris, der inmitten der Götter in der Astralebene wohnt und über das Reich der Auferstehung und des ewigen Lebens herrscht, wir haben dir die Geschenke der Erde verliehen, damit Bryan Conroy rein und ehrenhaft deine Kräfte der spirituellen Wiedergeburt zu dem Zweck des Lebens nach dem Tod mit äußerster Ernsthaftigkeit und Hingabe in Anspruch nehmen darf.«
Der Geist stand regungslos da, nickte dann sanft, und als er sein Gesicht bewegte, blieb eine schattenhafte Spur zurück, die innerhalb Sekunden verblasste.
»Komm, meine Familie«, sagte Benjamin. »Faith, Elizabeth, Daniel, schließt euch mir an, Bryan Conroy mit dem Geschenk des Lebens nach dem Tod auszustatten, damit wir als eine Familie für alle Ewigkeit zusammenbleiben können … damit wir nach unserem Tod zu unseren Körpern zurückkehren und zusammen die Astralebene betreten und als verehrte Geister zusammen im Jenseits existieren. Es ist das Urteil des Osiris, dem wir unser Schicksal ausliefern.«
Als Benjamin ihre Namen aufrief, trat
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