Deadline 24
Rotoren zum Laufen und das Ding zum Fliegen. Ohne Motor, ohne Treibstoff, ohne Lärm und Gestank.«
»Und nicht nur das«, fiel sein Bruder ein, »der Org denkt und fühlt. Er kann Blitze schleudern, sogar das Wetter beeinflussen, wie ihr heute gesehen habt. Und er singt. Genau wie die Mermaiden der See. Hybride fliehen vor ihren Tönen. Irgendetwas muss darin mitschwingen, das wir Menschen nicht hören können, Hybride aber sehr wohl. Es macht sie krank. Deshalb zeigen sie sich nie über dem Meer. Wir glauben, dass unser Organismus mit den Mermaiden verwandt ist, denn wenn wir mit unserem Helikopter auftauchen, fliehen die Biester ebenfalls.«
»Das ist das Verrückteste, was ich je gehört habe«, brummte Großvater. »Habt ihr keine Angst, dass sich dieser Organismus eines Tages gegen euch wendet? Wenn er wirklich von den Mermaiden abstammt, könnte das geschehen. Nennt man die nicht auch Körperfresser?«
Caleb verzog das Gesicht. »So ähnlich«, sagte er wegwerfend, »aber das war früher. Heute sind sie nicht mehr gefährlich, wir haben gelernt, uns zu schützen.«
»Habt ihr das?«
»Absolut.« Wie von selbst glitt seine Hand zum Gürtel und legte sich auf den Griff seines Messers.
»Trotzdem«, beharrte Großvater, »kommt es mir leichtsinnig vor, sein Leben einem Ding anzuvertrauen, sei es nun lebendig oder mechanisch, von dessen Ursprung man so gut wie keine Ahnung hat.«
»Aber das tun Sie doch auch, Herr Hayden, tagtäglich!«, rief Josie. »Sie fliegen auf Schwebern, von denen Sie nur wissen, dass sie schon immer da waren, genau wie die Kuppel, unter der Sie leben.«
»Eben, sie waren schon immer da«, sagte Großvater. »Sie sind Überbleibsel aus der alten Zeit und nicht gerade erst entstanden.«
»Auch unser Helikopter-Organismus war schon immer da, glauben wir zumindest«, erklärte Jarvis oder Jessup. »Dass er kürzlich erst gefunden wurde, muss nicht bedeuten, dass er auch kürzlich erst entstanden ist. Vielleicht lebte er schon Hunderte von Jahren in dieser sumpfigen Brühe bei Esperanza.«
»Habt ihr ihn dort gefunden?«, fragte Sally. »In einem Sumpf?«
Die jungen Leute drucksten herum, offensichtlich unschlüssig, wie viel sie preisgeben sollten.
»Josie hat ihn gefunden«, platzte endlich Sausalito heraus. »Sie ist ganz allein auf der Welt, hat keine Familie, niemanden. Drum schlug sie sich als Müllsammlerin durch. Ihr wisst schon, diese Leute, die alle möglichen abgelegenen Stellen durchwühlen und nach Technikteilen suchen, die noch brauchbar sind. Der Sumpf war Josies Revier. Einmal, als der Wasserspiegel niedriger als sonst war, ist der Helikopter aufgetaucht. Er war uralt, lag bestimmt schon hundert Jahre lang im Sumpf und war über und über mit einer seltsamen Substanz bewachsen. Josie krabbelte hinein, um nachzusehen, ob sie etwas Brauchbares darin finden konnte, da erwachte er zum Leben und flog.«
»Wahnsinn!«, rief Paul. »Du musst dich doch furchtbar erschrocken haben!«
»Ein wenig«, gab Josie zu. »Richtig Angst habe ich erst gekriegt, als ich aus Versehen ins Ödland geflogen bin. Ich bin keine besonders gute Pilotin, weißt du. Man muss sich mit dem Organismus verbinden und das gelang mir nicht sehr gut. Aber wenigstens habe ich da herausgefunden, dass der Helikopter die Hybride vertreibt.«
»Und dann«, fuhr Sausalito düster fort, »haben ihr die Lords den Helikopter weggenommen.«
»Was?«, schrie Großvater.
Eine pochende Zornesader erschien auf seiner Stirn. Er hasste die Lords. Nie wurde er müde, ihre tyrannische, ungerechte Herrschaft anzuprangern. Sie bildeten die Regierung von Esperanza und nannten sich hochtrabend »Dreistern«, weil es drei von ihnen gab. Drei Familien, die untereinander alles aufgeteilt hatten, was auch nur den leisesten Gewinn versprach, und deren Oberhäupter sich Lords nannten. Entsprechend der Stadt selbst, dem Hafen und dem Umland gab es den Lord der Stadt, den der See und den des Landes. Streng genommen unterstanden die Kuppelfarmen dem Lord des Landes, doch er hatte sich noch niemals hier draußen blicken lassen, das Ödland war ihm viel zu gefährlich. Er schickte nur seine Karawanen, besser gesagt, er hatte sie geschickt. Mittlerweile tat er nicht einmal mehr das.
»Oh«, knurrte Großvater, »ich kenne diese Lords. Es gab sie auch damals schon, vor vielen, vielen Jahren, als meine Vorfahren in Esperanza ankamen. Wisst ihr«, wandte er sich an seine Gäste, »dass sie einen meiner Vorfahren, Jonathan Hayden –
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