Deadline 24
seinen Ausläufern streifen. Die Karawanenroute dagegen berührte das Zentrum an keiner Stelle, sie verlief in einem weiten Bogen außen herum, in einem sehr weiten Bogen. Der kürzere Weg für die Karawanen war die Ostroute, die allerdings viele Unterbrechungen und gestrichelte Linien aufwies, Sandlöcher, Sümpfe und andere Hindernisse.
Sally bezweifelte stark, dass Padrino sich für sie entscheiden würde. Bestimmt würde seine Karawane dem westlichen Kurs folgen, auf dem man leichter vorankam, dafür aber länger unterwegs war. In einer Nacht war die Strecke unmöglich zu schaffen, vermutlich nicht mal in zwei Nächten, selbst wenn der Lord und seine Leute wie die Henker fuhren. Etwas kürzer war der Weg für den anderen Lord, der sich auf der Terleben-Farm eingenistet hatte, Sally konnte sich nicht mehr auf seinen Namen besinnen, aber immer noch viel zu lang für eine einzige Nachtfahrt. Nur die Dritte des Dreisterns, Mariposa, war ein Unsicherheitsfaktor. Niemand wusste, wo sie sich aufhielt. Hoffentlich nicht gerade auf der Attala-Farm.
Es war ein kurzer Abschied. Sally eilte noch einmal in Großvaters Zimmer, küsste ihn auf die Wange, umarmte Mutter, dann brachen sie und Monnia auf.
Sie hatten sich entschlossen, für jede zwei Schweber zu nehmen, einen zusammengefaltet auf den anderen gebunden. Zwar waren die Schweber in den letzten Tagen kaum beansprucht worden, alle Flügel leuchteten tiefrot, als die Mädchen den Strahl ihrer Lampen auf sie richteten, doch es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass man im Fall des Falles noch einen unverbrauchten in Reserve hätte. Der Weg durch die Tunnels allerdings gestaltete sich schwierig. Schweber, die zusammengefaltet wie flache Holzbretter mit Kugelkopf aussahen, wogen nicht viel, waren aber sperrig. Einige Male war Zentimeterarbeit nötig, um sie um die engen Kurven zu bugsieren.
»Wenn wir erst aus den Tunnels raus sind«, keuchte Monnia, »haben wir das Schlimmste geschafft.« Darüber musste Sally lachen.
Endlich standen sie draußen neben dem Eingang, verschnauften und blickten in den Sternenhimmel. Sallys Herz schlug wie rasend, sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal den Himmel ohne Kuppelgitter gesehen hatte. Und ohne wabernde Hybride. Völlig klar war die Sicht auf die Sterne allerdings auch jetzt nicht. Staubpartikel hingen in der Luft, aufgewirbelt von Padrinos Karawanenfahrzeugen, und es roch durchdringend nach Abgasen.
Allzu lange konnte ihr Aufbruch noch nicht her sein.
»Welche Richtung?«, fragte Monnia, als die Schweber auseinandergefaltet und startbereit waren.
»Nord-Nordost«, antwortete Sally, schaute jedoch geradewegs nach Westen, wo, im Lampenschein deutlich zu erkennen, die Spuren der Fahrzeuge verliefen. Sie waren nach Westen gefahren, genau wie sie vermutet hatte.
Ich kann es nicht tun, dachte Sally. Ich habe ein mieses Gefühl, ich kann es nicht tun. Aber wie sollte sie das Monnia beibringen? Vielleicht gar nicht, vielleicht einfach behaupten, sie seien auf dem richtigen Kurs?
Doch Monnia war nicht blöde. »Warum starrst du wie gebannt auf die Spuren von Padrinos Karawane? Ich dachte, wir würden anders fliegen. Ich dachte, genau das wäre der Witz an der Sache.«
»Ich kann es nicht, Monnia«, erklärte Sally. »Ich kann Carlita und die Frauen nicht da draußen ihrem Schicksal überlassen.«
»Soll das heißen, du willst ihnen hinterher? – Das kannst du nicht wirklich vorhaben!«, rief Monnia empört, als Sally nickte. »Das ist verrückt! Hirnverbrannt! Wir haben nicht genug Zeit, um alle zu retten!«
»Ein wenig Zeit können wir opfern. Nachher düsen wir umso schneller!«
»Du spinnst komplett! Was ist, wenn Padrino uns bemerkt?«
»Das wird er nicht. Sie fahren ganz am Ende der Karawane. Wenn sie überhaupt noch fahren.«
»Natürlich tun sie das. Warum sollte ihr Fahrzeug ausgerechnet heute streiken? Vorher hat es ja auch funktioniert!«
»Weil Padrino heute ein Höllentempo vorlegt. Und weil ich ein ganz mieses Gefühl habe.«
»Mieses Gefühl!«, schnaubte Monnia. »Du hast Gehirnerweichung vom Teufelsgras! Aber eins sage ich dir: Ich komme nicht mit!«
»Dann warte hier.«
Sally hatte es satt, sich weitere Vorwürfe anzuhören. Sie rückte ihre Stirnlampe zurecht, warf sich auf den Schweber, aktivierte ihn und sauste davon – nicht allzu hoch, damit sie die Spuren nicht aus den Augen verlor. Natürlich blieb Monnia nicht alleine zurück, sie schloss zu Sally auf. Finsteren Gesichts und
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