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Deadline 24

Deadline 24

Titel: Deadline 24 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A John
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Hand. Es war rund und flach, flacher als eine Münze und maß nicht mehr als fünf, höchstens sechs Zentimeter im Durchmesser. Das blaue Plastik wirkte unauffällig, es gab keine Kratzer oder Risse, keine Blutflecke, nur ein kleines, verwischtes Kreuz in der Mitte, ganz ähnlich dem auf der Karte, mit dem Vater den Mittelpunkt der Ruinenstadt markiert hatte.
    »Hat Großvater das je gesehen?«
    »Nein. Paul auch nicht. Wollten nicht. Nie.«
    »Typisch«, brummte Sally. Diese beiden Sturköpfe waren einander ähnlicher, als sie wahrhaben wollten. Jahrelang hatten sie alles ausgeblendet, was mit Vaters Tod zu tun hatte. Als ob sie das Schreckliche ungeschehen machen konnten, indem sie nicht daran dachten. Doch sie sollte nicht zu streng mit den beiden ins Gericht gehen. Sie selbst war auch nicht viel besser gewesen. Auch sie hatte nie an Vaters Tod erinnert werden wollen. Mutter als Einzige war tapfer genug gewesen, sein Vermächtnis zu hüten, und sie war von ihnen allen alleingelassen worden.
    »Tut mir leid«, flüsterte sie und drückte fest Mutters Hand.
    »Steckt was drin«, sagte Mutter. »Anschauen, bitte!«
    Tatsächlich wies eine Seite der Plastikhülle eine winzige Ausbuchtung auf. Am Rand war eine Öffnung, aus der etwas Helles hervorlugte. Vorsichtig fummelte Sally einen Zettel heraus und entfaltete ihn, während Mutter ungeduldig wartete.
    »Bildchen«, sagte Sally erstaunt. »Kleine, rechteckige Bildchen. Sehr fein gezeichnet. Aber nicht auf Papier, ich glaub, das ist so eine Art Stoff.«
    Ein ungewöhnliches Gewebe, zart wie Spinnweb und doch fest. Obwohl es lange Zeit zusammengeknüllt in die Hülle gestopft gewesen war, hatte es keine einzige Knitterfalte. Aber es war unvollständig, ein Fetzen, abgerissen von einem größeren Blatt.
    »Es wispert in der Sonne«, sagte Mutter.
    Und wirklich, jetzt, da Sally, um die eingewebten Bilder besser sehen zu können, den Fetzen ins Licht des Fensters hielt, hörte sie es auch: Er knisterte, wisperte. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, er wolle ihr flüsternd etwas mitteilen, aber sosehr Sally sich auch anstrengte, sie konnte die Botschaft nicht verstehen. Die Bilder jedoch, obwohl alle sehr klein, waren recht deutlich zu erkennen.
    »Auf einem ist ein dunkler Pfosten, nein, warte«, verbesserte Sally sich schnell, »es ist eine Gestalt. Sieht beinahe menschlich aus.«
    »Ein Gorgon«, vermutete Mutter.
    So sahen die also aus. Sally selbst hatte nie einen Gorgon erblickt, doch nach allem, was sie gehört hatte, hätte sie sich diese grausamen Halbmenschen gruseliger vorgestellt. »Auf dem zweiten Bild ist wieder ein Gorgon, er scheint vor etwas zu fliehen, das vom Himmel kommt, Hybride vielleicht. Und das letzte Bild …«, ratlos starrte sie auf das Tüchlein, »… mittendrin durchgerissen. Es könnte eine Schlange sein, eine Spuck… hm, Spuckviper.«
    Noch so ein Thema, über das man in der Hayden-Familie nicht gerne sprach. Mutter aber zuckte bei der schmerzlichen Erinnerung mit keiner Wimper, sie schnaufte nur enttäuscht, offensichtlich hatte sie sich mehr von dem wispernden Tüchlein versprochen.
    Sally hatte genauso wenig Ahnung, was sie davon halten sollte. Gorgonen und Spuckvipern – allgemein bekannt, längst Vergangenheit, längst von Hybriden ausgerottet. Hatte Vater irgendwo auf seinen Reisen Reste alter Aufzeichnungen über die Geschichte des Ödlands gefunden, in dieser sagenumwobenen Ruinenstadt der Alten vielleicht? Das kleine Kreuz auf der Plastikhülle legte diese Vermutung nahe. Warum aber hatte er das zerrissene Tüchlein so winzig klein zusammengefaltet, dass es in die Hülle passte, und diese in seinem Stiefel versteckt? Warum hatte er es nicht einfach in seine Skizzenmappe gelegt? Warum tat man so etwas?
    »Hat man seine Skizzenmappe gefunden?«
    »Ja«, antwortete Mutter dumpf. »Alles zerfetzt.«
    »Das klingt ja fast, als ob …«
    »Ich weiß«, stöhnte Mutter.
    Als ob er geahnt hätte, was geschehen würde, ergänzte Sally für sich.
    Nachdenklich drehte sie die Hülle zwischen den Händen. Das Plastik war weich, trotzdem ließ es sich nicht biegen.
    »Da steckt noch was drin«, sagte sie erstaunt.
    »Eine kleine Scheibe«, sagte Mutter.
    Das stimmte, Sally zog eine Scheibe aus der Hülle. Flacher als ein Stück Pappe war sie, durchsichtig und wog so gut wie nichts. In der Mitte war ein goldener, von winzigen Schriftzeichen umgebener Punkt.
    »Was sagen Schriftzeichen?«, fragte Mutter gespannt.
    Sally knipste die Lampe an,

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