Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
Cissy.
»Nicht!« Er hämmerte auf das Tablett. »Nicht!«
Hinter dem Hochstuhl wartete Coco, schnupperte und fraß, was immer zu Boden fiel.
»Und J. J.? Ist er gut nach Hause gekommen?«, fragte Jack.
Jannelle zuckte die Achseln. »Woher soll ich das wissen? Er faselte die ganze Zeit etwas von den ›heißen Weibern‹, die er hier kennengelernt hätte. Ich dachte schon, er würde noch einmal herkommen, du weißt schon, und nach Telefonnummern und E-Mail-Adressen fragen.« Sie zog eine Grimasse. »Ich glaube nicht, dass er den Ernst der Lage begriffen hat. Ich habe ihn bei Dad abgesetzt, weil sein Wagen dort stand, und ich schätze, er ist nach Hause gefahren, aber andererseits weiß ich es nicht, und es geht mich auch nichts an.« Sie war bereits auf dem Weg zur Tür. »Wir sehen uns. Halte mich auf dem Laufenden, ja? Falls ihr euch irgendwann entschieden haben solltet, ob ihr verheiratet bleibt oder nicht.«
»Du wirst es als Erste erfahren«, erwiderte Jack trocken und folgte ihr barfuß in den Eingangsflur. »Na ja … gleich nach Cissy und mir. Ich finde, wir sollten diese Information zuerst bekommen.«
»Sehr witzig«, sagte sie.
Er hielt ihr die Tür auf und schlug sie sofort wieder zu, nachdem sie die Schwelle überschritten hatte. »Sie hat Beejay nicht einmal begrüßt«, bemerkte er.
»Das ist mir auch aufgefallen.«
»Weißt du, vielleicht ist sie neidisch. Sie ist achtunddreißig und war noch nie verheiratet.«
»Mit achtunddreißig ist sie nun wirklich nicht alt.«
»Vielleicht hat sie das Gefühl, keine Wahl mehr zu haben. Wenn sie Kinder will, muss sie einen Mann finden, ihn kennenlernen, entscheiden, ob er der Richtige ist, heiraten und dann ein Kind planen, das sich vielleicht nicht sofort einstellt. So etwas braucht Zeit.«
»Wenn sie wollte, könnte sie schon nächstes Jahr ein Baby haben, Jack. Sie braucht sich nicht auf diese ganze Beziehungs- und Ehegeschichte einzulassen. Ich glaube eher, sie mag oder will keine Kinder. Und das ist gut so.«
»Kann sein.« Jack schob die Hände in die Vordertaschen seiner Hose, trat vor die Fenstertüren und blickte hinaus in den Garten. »Manchmal glaube ich, meine Familie ist noch kaputter als deine.«
Sie lachte. »Ist das überhaupt möglich?«
»Sehen wir den Tatsachen ins Gesicht, Cissy. In unseren beiden Familien gibt es mehr als genug Spinner und Verrückte.«
»Mag sein, dass die Cahills in puncto Neurosen und Psychosen nicht an erster Stelle stehen, aber ihr Holts könnt ihnen nicht das Wasser reichen.« Sie dachte an ihre psychopathische Mutter, die auf der Flucht vor dem Gesetz war, an Cherise und deren Bruder Monty, der als weiterer Krimineller ihre Familie schmückte. Sie warf einen Blick auf Beejay, der gerade versuchte, sich einen Cornflake in die Nase zu schieben. »Oh, Beejay«, sagte sie und lenkte ihn von seinem Vorhaben ab, bevor er es ausführen konnte. »Du bist der süßeste, klügste Junge, den ich kenne, aber vom genetischen Standpunkt spricht doch einiges gegen dich.«
»So ist es«, pflichtete Jack ihr zu und sah ihr ins Gesicht. Ihr lag die Bemerkung auf der Zunge, dass er gehen sollte, doch er las die Aufforderung in ihren Augen.
»Ich hole meine Sachen.«
Es gab ihr einen kleinen Stich ins Herz, doch sie hielt ihn nicht zurück, als er in den Kleidern, die er zum Begräbnis getragen hatte, seinen Sohn in die Arme nahm und ihm einen Kuss auf die Stirn gab.
»Daddy!«, schrie Beejay aus seinem Hochstuhl. »Daddy hierbleiben!«
»Ich komme wieder«, versprach Jack und schloss die Tür hinter sich.
»Neieiein!«, weinte der Junge und begann zu schluchzen. Cissy hob ihn rasch aus dem Hochstuhl. Er strampelte und schrie und wehrte sich, dann weinte er, als wollte sein kleines Herz brechen.
Cissy fühlte sich schrecklich. Wie konnte sie ihrem Kind nur so etwas antun?
Wir konnte sie es sich selbst antun?
Verzeih ihm, Cissy. Gib Jack eine weitere Chance.
»Und dann?«, fragte sie sich laut, doch sie fand keine Antwort.
13
Paterno spazierte am Wasser entlang. Es war Wochenende, Sonntag, zwei Tage nach Eugenias Begräbnis. Er versuchte, vielstimmigen Ratschlägen Folge zu leisten, und hatte sich eine Auszeit genommen, und sei es nur, um den Kopf freizubekommen. Aber es gelang ihm nicht. Der Fall ließ ihm einfach keine Ruhe.
Er holte tief Luft und blickte den Möwen nach, die über das grüne Wasser segelten, schreiend ihre Kreise zogen und auf den Docks nach Essbarem Ausschau hielten. Die Luft war frisch,
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