Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
nicht einfach hierbleiben, dachte sie auf dem Weg die Treppe hinunter.
Es ist Wochenende. Lass es erst einmal gut sein.
Am Fuß der Treppe angelangt, sah sie Coco. Sie lag in ihrem Körbchen neben dem Sofa im Wohnzimmer, den zottigen weißen Kopf auf den Rand gelegt. Dunkle Knopfaugen blinzelten. Als sie Cissy erblickte, wedelte sie mit dem Schwanz, gähnte, reckte sich, sprang dann auf und kam zu Cissy, um sich auf den Arm nehmen zu lassen.
»Tut mir leid«, sagte Cissy und kraulte Coco hinter den Ohren. Das Hündchen seufzte genießerisch. »Ich hätte dich gestern Abend noch rauslassen müssen.«
Gott sei gedankt für Jack.
Moment. Nein. Das wird gestrichen! Ihr gefiel die Richtung nicht, die ihre Gedanken nahmen. »Mal sehen, was wir für dich haben.« Sie trug den kleinen weißen Zottel und ihren Becher in die Küche, ließ den Hund zu Boden und öffnete den Kühlschrank. Darin fand sie kalte Hühnchenreste von der Feier, riss sie in kleine Stücke und ließ Coco aus ihrer Hand fressen. Dann ging sie mit ihr nach draußen, wo die Morgendämmerung den Himmel rot und golden färbte. Die Luft war frisch und kalt, aber, eine Seltenheit in diesem Winter, keine Wolken jagten am Himmel, kein Nebel waberte zwischen den Spitzen der Wolkenkratzer, die die Bäume überragten.
Sie rieb sich die Arme und belegte sich mit allerlei Schimpfnamen, weil sie Jack gestattet hatte, über Nacht zu bleiben.
Du hast ihm nicht gestattet zu bleiben; er ist zu dir ins Bett gekrochen, während du geschlafen hast.
Doch sie hätte ihn daran hindern können, mit ihr zu schlafen. An diesem Morgen, als sie ihn warm und hart neben sich fand, hätte sie ihn von sich stoßen können. Dazu wäre sie nicht zu schlaftrunken gewesen. Die Trauer hatte ihr auch nicht die Willenskraft geraubt. O nein. Sie hatte genauso sehr mit Jack schlafen wollen wie er offenbar mit ihr.
Idiotin!
Blödes Weib!
Jetzt waren sie wieder am Ausgangspunkt angelangt.
Was war los mit ihr? Sie wusste, dass er ihr nicht guttat, und trotzdem benahm sie sich wie eine dieser bescheuerten Frauen, die sich immer zu den falschen Männern hingezogen fühlen, zu problematischen Männern, zu Hallodris, die sie zähmen wollen.
Was für ein Unsinn!
»Hey«, sagte sie zu dem Hund. »Lass uns wieder reingehen. Es ist nicht gerade heiß hier draußen, und ich gebe dir etwas Vernünftiges zum Frühstück.« Coco hob den Kopf. Als sie »ihr Geschäft«, wie Cissys Großmutter es zu nennen pflegte, beendet hatte, schoss sie über den Rasen und durch die geöffnete Fenstertür zurück ins Haus. Cissy folgte ihr, schloss die Tür und sah sich in den Zimmern um. Hier wartete zweifellos noch viel Arbeit. Zwar war nach der privaten Begräbnisfeier aufgeräumt worden, doch der Müll musste noch entsorgt und die Böden aufgewischt werden und … Und was willst du in puncto Jack unternehmen? Du kannst dich nicht einfach hinter der Hausarbeit verschanzen und der Frage aus dem Weg gehen.
»Zum Teufel damit«, schimpfte sie leise, griff nach einem weiteren Müllsack und stopfte ihn in die bereits überquellende Mülltonne.
Du liebst ihn, das weißt du. Ganz gleich, was du behauptest. Du hast nie aufgehört.
Nachdem sie Coco gefüttert und mit frischem Wasser versorgt hatte, füllte sie einen Eimer mit Wasser, setzte ihm etwas Zitronensaft zu und begann aufzuwischen.
Du musst ihn zwingen zu gehen. Sofort. Du darfst dich nicht einlullen und in Sicherheit wiegen lassen. Du weißt es besser.
Wie eine Wilde scheuerte sie die Böden und polierte sie energisch blank, während Coco bellte und spielte und vorgab, den Mopp anzugreifen, der vor ihr hin und her fuhr. Cissy tobte ihre Aggressionen aus und versuchte, nicht an Jack zu denken, den sie im Obergeschoss umhergehen hörte. Er machte einen so großen Teil ihres Lebens aus, und als er schließlich, den rotwangigen, verschlafenen Beejay auf dem Arm, die Treppe hinunterkam, schmolz sie dahin. »Hat dich jemand geweckt?«, fragte sie und lächelte ihren Sohn an.
»Daddy hat mich geholt.«
»Er fing gerade an, sich zu rühren«, sagte Jack, und ein Hauch von seinem Aftershave drang Cissy in die Nase, die einzige Flasche, die sie vergessen hatte wegzuwerfen, die Flasche, die sie an den langen Tagen dieses vergangenen Monats schon mindestens zweimal aufgeschraubt hatte, um daran zu schnuppern, heimlich seinen Duft zu atmen.
»Lass ihn nicht runter. Der Boden ist noch nass. Wie wär’s mit Frühstück, hm?«, fragte sie ihren Sohn, der noch im
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