Deadline - Toedliche Wahrheit
Ihre Nummer bei der Explosion verloren hatten und so.«
Die Explosion hatte die Telefonnummer der Seuchenschutzbehörde nicht aus dem Internet gefegt, aber darum ging es eigentlich nicht. Meine Ausrede war gerade so plausibel, dass Direktor Swenson mich nicht einfach der Lüge bezichtigen konnte und konstruiert genug, um ihn wissen zu lassen, dass ich log. Seine Nasenflügel blähten sich ein wenig. Offensichtlich kostete es ihn einige Mühe, eine neutrale Miene zu wahren. Ich lächelte.
»Ja, ich verstehe absolut«, sagte er. »Also, was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs?«
»Wir brauchen einige Hintergrundinformationen, und um sicherzugehen, dass wir einander richtig verstehen. Sie erinnern sich doch an meine Schwester, Georgia Carolyn Mason?« Becks zuckte zusammen, als ich Georges Namen aussprach, wahrscheinlich, weil ich in letzter Zeit öfter mal austickte, wenn ihr Name fiel. In meinem Hinterkopf schnaubte George belustigt, sagte jedoch nichts weiter. Das hier war meine Party. Sie überließ es mir, die Einladungen rauszuschicken.
Direktor Swenson nickte. »Ich habe ihre Akte gesehen. Ihr Tod war – nun, jeder Tod ist tragisch, aber das, was sie selbst nach Einsetzen der Virenvermehrung noch erreicht hat, war – es war erstaunlich. Sie sind sicher sehr stolz.«
»Sie ist im Feld gestorben«, sagte ich so ausdruckslos wie möglich. »Genau, wie sie es gewollt hätte.«
»Das ist Ihnen sicher ein großer Trost.« Er klang, als meinte er es ehrlich. Meine Hand krallte sich fester in Becks’ Bein. Ich musste auch das letzte bisschen Selbstkontrolle aufbringen, um meine Finger schließlich zu lösen. Becks gab keinen Laut von sich, obwohl ich ihr sicher wehgetan hatte.
»Um ehrlich zu sein, ich hätte sie lieber lebendig und sauer als tot und glücklich«, erwiderte ich und legte die Hände flach auf den Tisch, ehe sie erneut nach Becks greifen konnten. »Wenn Sie ihre Akte gesehen haben, dann wissen Sie sicher, dass sie an retinalem Kellis-Amberlee litt.«
»Ja, das habe ich gesehen. Es ist erstaunlich, wie viel sie trotz ihrer Behinderung erreicht hat.«
Irgendwie brachte ich ein Lächeln zustande. Keine Ahnung, wie mir das gelang. »Sie hat eine Menge mit ihrem Leben angefangen, das ist wahr. Jetzt muss ich weitermachen und mich um das kümmern, was sie nicht zu Ende bringen konnte.«
»Ach?« Direktor Swenson bedachte mich mit einem aufmerksamen Blick. »Woran hat sie gearbeitet?«
»Reservoirkrankheiten. Sie müssen wissen, dass sie über ihre Selbsthilfegruppen und Mailverteiler eine Menge Leute kannte … «
Selbsthilfegruppen? , wiederholte George entsetzt. Ich bin in meinem ganzen Leben keiner Selbsthilfegruppe beigetreten.
Ich beachtete sie nicht »… und dabei ist ihr dieses verrückte Muster aufgefallen.« Bildete ich es mir bloß ein, oder erstarrte Direktor Swenson? »Es machte den Eindruck, als ob ihre Freunde schneller starben als irgendjemand sonst. Ich meine, sogar noch schneller als meine Freunde, und die meisten meiner Freunde sind Irwins, was sozusagen bedeutet, dass man dem Darwinismus mit einem großen roten Tuch vor der Nase herumwedelt. Also hat sie angefangen nachzubohren.«
»Komisch, ich kann mich gar nicht daran erinnern, irgendwelche Anfragen an uns in ihrer Akte gesehen zu haben«, erwiderte Direktor Swenson. Seine Tonfall war nun vollkommen ausdruckslos, weder erregt noch kühl. Die Stimme eines Mannes, der gerade völlig auf Distanz geht.
»Sie hat auch nicht beim Seuchenschutz nachgefragt«, sagte Becks, bevor ich den Mund aufmachen konnte. Ich beschloss, sie machen zu lassen. Sie war besser für diesen Bluff ausgebildet als ich. »Sie wollte Sie nicht damit belästigen, wenn es sich nicht wirklich um ein Muster handelte, und wenn es doch eines gegeben hätte … « Sie verstummte, zuckte mit den Schultern, wie um zu sagen: »Was soll man machen«, und fuhr fort: »Es hätte eine ziemliche Schlagzeile abgegeben. Wenn Reservoirkrankheiten so gefährlich wären, warum sollte sie nicht die Erste sein, die das öffentlich macht?«
»Ich nehme an, dass ihre Aufzeichnungen zusammen mit Ihrem Adressbuch verloren gegangen sind«, sagte Direktor Swenson und schaute dabei zu mir.
»Oh nein, ganz und gar nicht«, antwortete ich. »Ich habe sie sogar gelesen. Ich meine, sie sind ein bisschen über meinem Niveau, aber, he, man lernt nie aus, stimmt’s? Und sie hat tatsächlich recht. Die Sterberate ist absurd hoch. Statistisch gesehen hätten einige dieser Leute noch
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