nicht, dass mir die Ironie dabei entginge. George ist diejenige, die mit dem Atmen aufgehört hat, aber ich bin derjenige, der das Leben aufgegeben hat.
In den Foren herrschte genau so ein Schlamassel, wie ich es nach Alarics Bericht erwartet hatte. Die Moderatoren versuchten, an zehn Orten gleichzeitig zu sein, und scheiterten dabei ziemlich spektakulär. Ich lehnte mich ein paar Minuten lang zurück, trank Cola und sah zu, wie beständig Nachrichten neben den verschiedenen Threads aufploppten. Das Team, das derzeit im Einsatz war, bestand ausschließlich aus Beta-Bloggern, die versuchten, sich bei der Sorte von Drecksarbeit zu beweisen, die George und ich früher gemacht hatten, als wir noch unter ferner liefen bei der Seite Bridge Supporters mitgemacht hatten. Damals hatten wir uns nichts mehr gewünscht, als selbstständig zu sein, um die Nachrichten so machen zu können, wie wir es für richtig hielten.
»Und sieh dir an, was es uns eingebracht hat«, brummte ich, beugte mich vor und griff nach der Maus. »Bleibt, wo ihr seid, Leute! Auf die Dauer werdet ihr damit sehr viel glücklicher.«
George sagte nichts, und sie schwieg auch weiterhin, als ich erneut auf meinen Posteingang klickte und die Nachrichten zu überfliegen begann, auf der Suche nach welchen, die tatsächlich meine Aufmerksamkeit verlangten. Ich musste mich langsam daranmachen, das Videomaterial zu schneiden. Ich musste etwas veröffentlichen, um die Leute wissen zu lassen, dass ich noch lebte, aber vor allem und zuallererst musste ich mich ein bisschen beruhigen. Mein Herzschlag beschleunigte sich, als meinem Körper klar wurde, dass wir nun nicht mehr auf der Flucht waren – wir hatten unser Ziel erreicht, und nun konnte ich endlich austicken, ohne mich in Gefahr zu bringen.
Meine Hand zitterte. Ich saß absolut reglos da und wartete darauf, dass das Zittern nachließ. Ich hatte keine Zeit für einen weiteren Nervenzusammenbruch. Einmal im Monat ist in etwa mein Limit, und da der nächste wahrscheinlich nicht eine vollständige visuelle Halluzination meiner toten Schwester als Dreingabe umfassen würde, sah ich keinen Sinn darin, die Sache zu wiederholen. Schließlich hörte das Zittern auf, und ich machte mich wieder an die Arbeit.
Etwa auf halbem Weg durch meinen Posteingang traf ich auf etwas Wichtiges. Es steckte mitten in den Thread-Updates, den privaten Mitteilungen von den Moderatoren und wild durcheinandergewürfelten Nachrichten von meinen Mailverteilern, und beinahe hätte ich es nicht angeklickt, weil ich den Absender nicht kannte. »Wer zum Teufel benutzt auch ›GenervterOktopus‹ als Name in der E-Mail-Adresse?«, fragte ich mich. Das war keine rein rhetorische Frage. Ich hoffte, dass diese schiere Blödheit George zum Sprechen bringen würde.
Immerhin genügte sie, um mich innehalten zu lassen und die Nachricht mit einem Fluch zu öffnen. Wer »GenervterOktopus« als Name verwendet? Wahrscheinlich eine Frau, die T-Shirts trägt, auf denen steht, dass man Oktopusse eben nicht nerven soll. Dr. Abbey.
Absender:
[email protected] Empfänger:
[email protected] Betreff: Du bist aber ganz schön beschäftigt
Ich muss zugeben, dass ich überrascht war, als ich gehört habe, dass die Seuchenschutzbehörde von Portland in weniger als vierundzwanzig Stunden nach deiner Abreise von Infizierten überrannt worden ist. Du verplemperst keine Zeit, das muss ich dir lassen. Andererseits hattest du auch nicht viel Zeit zum Verplempern. Du bist nicht der Einzige, der weiß, wie man eine Kamera bedient, und ich würde gutes Geld darauf wetten, dass jemand Aufnahmen von dir und deiner kleinen Bande von Gesetzlosen auf dem Weg nach hier draußen hat. Es ist nur eine Frage der Zeit, bevor jemand herausfindet, dass wir Kontakt hatten, und dann steckst du so tief in der Scheiße, dass die derzeitige Scheiße dagegen wie Schokoladenpudding aussieht. Komm nicht wieder! Wir haben angefangen, dass Labor abzubauen, sobald du weg warst, und wenn du diese Nachricht erhältst (vorausgesetzt, du bleibst lange genug am Leben, um sie zu erhalten, was wirklich fraglich ist), sind wir bereits auf dem Weg zu unserem neuen Standort. Die kleine »Abmachung«, die ich mit dem Seuchenschutz habe, hängt von einem gewissen Status Quo ab, und du bist derzeit in derart gefährlichen Gewässern unterwegs, dass ich mich nicht darauf verlassen kann, dass dieser Status Quo Bestand hat. Also beeil dich bitte damit, entweder Antworten zu