Deadline - Toedliche Wahrheit
müssten, mit dem Telefon durchzukommen«, erklärte ich. Kellys Aufmerksamkeit wandte sich wieder mir zu. »Alaric, besorg ihr dieses Zeichenprogramm und versuch, öffentliches Datenmaterial zu finden, das du mit ihrer Arbeit abgleichen kannst.«
»In den öffentlichen Datenbanken dürfte nichts von den Nottunneln stehen«, sagte Kelly.
»Trotzdem ist es nie schlecht, einen zweiten Plan zu haben.« Ich warf ihr ein zahnreiches Lächeln zu. »Außerdem gibt es im öffentlichen Datenmaterial sicher komplette Grundrisse der frei zugänglichen Bereiche, was reichen dürfte, um deinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Ich vertraue zwar durchaus darauf, dass du uns die Wahrheit sagst, soweit du sie kennst, Doc. Aber nach dem, was wir von Dr. Abbey erfahren haben, könnte ich mir vorstellen, dass es ein paar delikate Dinge gibt, die du vielleicht lieber auslässt.«
Ihre Miene verhärtete sich. Einen Moment lang erwartete ich, dass sie meine Autorität infrage stellen würde. Die anderen sahen es auch. Alaric rückte mit seinem Stuhl ein paar Zentimeter vom Tisch ab, während Maggie und Becks beide aufhörten, in der Küche herumzulaufen, und ihre ganze Aufmerksamkeit auf Kelly richteten. Das Haus schien den Atem anzuhalten. Schließlich schüttelte Kelly widerstrebend den Kopf.
»Schon in Ordnung. Wir sitzen alle in einem Boot, ob es uns nun gefällt oder nicht. Ich schätze, wir müssen alle lernen, einander zu vertrauen.«
»Das ist die richtige Einstellung«, sagte ich.
»Ich habe bloß eine Frage«, sagte Alaric. »Woher wissen wir, dass der Seuchenschutz keinen Stimmabgleich bei deinem Anruf durchführt und herausfindet, dass Kelly noch lebt? Das Letzte, was wir gebrauchen können, ist noch eine Großrazzia.«
»Nein, das Letzte, was wir brauchen können, ist dass sie herausfinden, wo wir sind. Dass der Doc noch lebt, ist höchstens das Zweitletzte, das sie herausfinden dürfen.« Ich schob meine halb aufgegessene Fleischpastete von mir und stand auf. »Ich schätze, wir sollten die Nachrichtenmeldungen im Auge behalten, um zu sehen, ob man uns des Identitätsdiebstahls bezichtigt.«
»Kann man seine eigene Identität stehlen?«, fragte Kelly.
»Ich schätze, wir werden es herausfinden.« Becks schickte sich an, meinen Platz einzunehmen. »Becks, sobald du mit Essen fertig bist, musst du deinen Blog auf den neusten Stand bringen. Ich gehe jetzt und lade das Videomaterial auf den Server, das nicht übertragen wurde. Alaric, ich will, dass du dich innerhalb einer Stunde an die Bildaufbereitung und an die Screenshots machst.«
»Alles klar«, sagte Alaric.
»Ich habe noch ein paar Gedichte und einen Haufen Gartenbilder hochzuladen«, sagte Maggie. »Offiziell trauere ich immer noch um Dave, weshalb ich hier ganz allein in meinem großen, alten Spukhaus sitze.«
»Gut«, sagte ich. »Doc, du verfasst in Zusammenarbeit mit Mahir einen neuen Post über diesen Psychokram, von dem du schreibst, was auch immer das war. Versuch, dir eine plausible Erklärung dafür einfallen zu lassen, dass wir kein Bild von dir haben. Ich will nicht, dass irgendjemand übereifrig wird und dich in den frei zugänglichen Aufnahmen sucht.«
»Alles klar.«
Ich holte mir noch eine Cola aus dem Kühlschrank und ging zurück ins Wohnzimmer, wo der Computer stand, der mir nicht widersprechen und mir keine Fragen stellen oder irgendetwas anderes tun würde, als mir dabei zu helfen, einen klaren Kopf zu kriegen. George blieb noch immer schweigsam, ihre ständige Gegenwart war auf ein dumpfes Bohren in meinem Hinterkopf zusammengeschrumpft. Genau genommen tat es nicht weh. Es fühlte sich nur verdammt komisch an.
Der Computer erwachte auf eine Berührung meines Fingers hin. Ich klickte mich durch die Anmeldemenüs bis zu meiner Mailbox, die auf beruhigende Weise randvoll mit Spam, weiblicher Fanpost, Nacktbildern und Themenvorschlägen war sowie mit den scheinbar unvermeidlichen Ideen, wo ich irgendwelche Toten aufstöbern sollte. Manchmal kommt es mir vor, als hätte die ganze Welt es darauf abgesehen, dass ich wieder ins Feld ziehe. Was niemand versteht – und was ich ihnen nicht sagen kann – ist, dass ich das Wichtigste verloren habe, was einen guten Irwin ausmacht: Ich habe keinen Spaß mehr. Wenn es mich mal ins Feld verschlägt, dann ist das nur noch etwas Lästiges, was ich überleben muss, und kein spannendes Abenteuer. Ohne diesen kleinen Funken Übermut bin ich im Grunde genommen ein wandelnder Toter. Glaubt bloß
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