Deadline - Toedliche Wahrheit
aus ihm geworden?«
»Man hat ihn aufgrund von Steuerflucht und einer falschen Arbeitserlaubnis abgeschoben.«
Stille machte sich zwischen uns breit, als ich über seine Worte nachdachte – und über das, was er unausgesprochen gelassen hatte. Selbst George schwieg und ließ mich nachdenken. Schließlich fragte ich: »Was ist mit dem Dritten?«
»Sein Datenmaterial ist in meiner Reisetasche.« Mahir musterte mich gelassen, während er einen Schluck Tee nahm. »Er hat die Ergebnisse gelesen. Dreimal. Und dann hat er mich angerufen, mir seine Schlussfolgerungen mitgeteilt, mir gesagt, wo er seine Daten hingeschickt hat, aufgelegt und sich erschossen. Und ich frage mich ernsthaft, ob er nicht vielleicht das Richtige getan hat.«
»Was … was hat er gesagt?«
»Er hat gesagt, dass wir, wenn wir mutiger wären und nicht so bereitwillig den Weg des geringsten Widerstands nehmen würden, Indien vielleicht schon vor zehn Jahren zurückerobert hätten.« Mahir stellte seinen Becher ab und stand auf. »Ich bin müde, Shaun. Bitte zeig mir jetzt, wo ich schlafen kann! Du kannst dir alles, was ich mitgebracht habe, durchlesen, und wir reden dann später darüber.«
»Komm mit!« Ich stand auf und ging Richtung Flur. »Du kannst mein Zimmer nehmen. Es ist nicht gerade riesig, aber ruhig, und die Tür schließt fest, sodass du nicht mit irgendwelchen Überraschungsgästen aufwachst.«
»Das klingt gut«, sagte er, während er mir die Treppe hochfolgte. Seine Anwesenheit, so unerwartet sie auch sein mochte, fühlte sich genau richtig an, als wäre sie nötig gewesen, ehe wir zu Ende bringen konnten, was auch immer wir angefangen hatten.
Wir waren nun alle auf der Flucht, und wenn wir aufhören wollten davonzulaufen, konnten wir das nur zusammen tun.
Buch 4
Immungedächtnis
Besser man tritt mit einem Knall und einer Presseerklärung ab als mit einem Wimmern auf den Lippen und einem Geheimnis im Kopf.
Georgia Mason
Scheiß drauf! Lasst uns was in die Luft jagen.
Shaun Mason
Genau genommen haben George und ich nie gewusst, wann wir geboren wurden. Die Ärzte konnten unser Alter schätzen und über unsere biologischen Eltern spekulieren, aber das spielte eigentlich keine Rolle. Man hatte uns gesagt, dass wir irgendwann im Jahre 2017 geboren worden waren, gegen Ende des Erwachens, als der Großteil von Nordamerika bereits zurückerobert und von Infizierten gesäubert worden war. Wir wussten, dass George etwa sechs Wochen älter war als ich. Auf den Rest kam es nicht an. Wichtig war nur, dass wir einander hatten, denn so konnten wir mit allem fertig werden, was die Welt gegen uns aufzubieten hatte. Manchmal glaubte ich in meiner Arroganz sogar, dass es das Erwachen nur gegeben hatte, damit wir zusammen sein konnten.
Die Erklärung war so gut wie jede andere.
Mit dem heutigen Tage habe ich zum ersten Mal meinen Geburtstag ohne George erlebt, wann auch immer er genau war. Seit genau einem Jahr gehe ich nun zu Bett, um in einer Welt ohne George aufzuwachen, einer Welt, die mir sinnlos vorkommt, weil George ihr nie wieder einen Sinn verleihen wird. Ich hatte immer Angst gehabt, dass sie sich umbringen könnte, falls ich sterben würde. Einmal habe ich sie gefragt, ob sie sich jemals vergleichbare Sorgen um mich machte.
»Du bist sowieso schon selbstmordgefährdet, Arschloch«, antwortete sie lachend. Aber darin hat sie sich geirrt – ich bin viel vorsichtiger geworden, seit ich sie verloren habe. Ich vermisse sie jeden Tag. Ich vermisse sie jede Minute. Aber wenn mir etwas passiert, dann bekommt sie vielleicht nie das Ende, das sie verdient hat, und ich werde nicht so egoistisch sein zu sterben, bevor ich nicht zu Ende geführt habe, was sie begonnen hat.
Alles Gute zum Geburtstag, George! Du hast mich zu einem besseren Menschen gemacht, als ich es ohne dich je hätte sein können, und du hast mich mehr verletzt, als irgendein anderer Mensch mich je hätte verletzen können. Ich liebe dich. Ich vermisse dich. Und langsam habe ich das Gefühl, dass wir uns ziemlich bald wiedersehen werden. Ich denke, die Dinge nähern sich ihrem Ende.
Himmel, du fehlst mir!
Aus Anpassen oder Sterben , dem Blog von Shaun Mason, 20. Juni 2041.
Wer sich mit Shaun anlegt, legt sich auch mit mir an. Und von uns beiden bin ich diejenige, mit der man sich besser nicht anlegen sollte. Er bringt die Leute höchstens um. Aber ich sorge dafür, dass sie bereuen und dass sie bezahlen.
Glaubt mir. Ich bin Journalistin.
Aus Postkarten von der
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