Deadline - Toedliche Wahrheit
aus. »Ja. Danke!«
»Für den Fall, dass du es nicht aushältst – wenn du sterben willst, solange du noch weißt, wer du bist – , solltest du darauf achten, dir eine Kugel für dich selbst aufzuheben.«
»Das werde ich.« Seufzend schaute Kelly auf die Waffe in ihrer Hand. »Ich denke, unter diesen Umständen hätte mein Großvater gewollt, dass ich mich so entscheide. Ihm kam es immer auf die Wahrheit an … und mir auch. Mir war wirklich nicht klar, dass Dr. Wynne mich zu euch geschickt hat, um euch eine Falle zu stellen. Und es tut mir leid. Ich wollte nichts von alledem.«
»Ich weiß«, sagte Becks.
Ich holte tief Luft und atmete langsam aus, bevor ich sprach. »Danke, Doc!« Ein Flüstern in meinem Hinterkopf ließ ein trauriges Lächeln auf meine Lippen treten. »Auch von George. Es tut ihr leid, dass sie dir nicht vertraut hat.«
»Nichts zu danken – und sag ihr, dass es nicht weiter schlimm ist.«
Kellys Lächeln verblasste. Sie wich zurück, lehnte sich an den Schrank und sank zu Boden. Das war das Letzte, was ich von ihr sah, wie sie dort mit an die Brust gezogenen Knien saß und Dr. Wynnes leblosen Körper anstarrte, als erwartete sie, dass er ihr irgendein Geheimnis verraten würde – dass er etwas sagen würde, das allem, was sie durchgemacht hatte, wie von Zauberhand einen Sinn verleihen würde.
Wir drei Übriggebliebenen verließen das Büro und verfielen schnell in einen Laufschritt, der uns keine Zeit zum Grübeln ließ. Wir waren viel zu beschäftigt damit, von einem Ort zu fliehen, der eigentlich der sicherste auf diesem Planeten hätte sein sollen.
Wir waren auf halbem Weg durch den ersten Flur, als die Alarmsirenen aufheulten. Die orangefarbenen Warnlichter unter der Decke gingen an. Mahir beschleunigte und überholte uns beide links. Becks griff mich am Ellbogen und zog mich um die Ecke außer Sicht, kurz bevor das Geräusch rennender Füße den Flur erfüllte, so schnell und laut, dass es sogar die Alarmsirenen übertönte. Der Sicherheitsdienst war unterwegs.
»Du darfst nicht zurückbleiben«, zischte sie. Ich konnte sie kaum hören. Es waren vor allem ihre Lippenbewegungen, die mir verrieten, was sie gesagt hatte.
»Ja, ich weiß.« Becks wollte meinen Arm loslassen, doch ich packte sie bei der Hand. »Kommt schon, ihr beiden. Verschwinden wir von hier.«
Keiner widersprach. Wir setzten uns erneut in Bewegung, rannten beinahe und folgten der Wegbeschreibung einer Toten in Richtung Freiheit. Kelly hielt Wort: Sie gab den Leuten von der Sicherheit in Dr. Wynnes Labor etwas zu tun. Die ersten Schüsse waren zu hören, als wir gerade in das Evakuierungsnetzwerk einstiegen. Sobald die Geheimtür hinter uns zuschlug, brach das Geräusch abrupt ab. Die Sicherheitstunnel waren still und dunkel, genau wie beim letzten Mal.
Auf unserer Flucht begegneten wir keiner Menschenseele. Trotzdem wagte ich kaum zu atmen, bis die Tür nach draußen sich schließlich vor uns öffnete und wir am Rande des Parkplatzes rauskamen, an einer Stelle, die halb verborgen hinter einem kurzen Zaun aus Blechstreifen war. Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, welchem Zweck er diente: Falls die Anlage von Infizierten überrannt wurde, bot die Metallwand Deckung und verschaffte einem die nötige Zeit, um entweder zu rennen wie der Teufel oder in den Tunnel zurückzukehren und auf Rettung zu warten. Die Idee war gut. Unglücklicherweise bedeutete »entkommen« in diesem Zusammenhang nichts anderes, als dass wir das Gelände verlassen mussten, bevor man uns sah.
Ich rechnete damit, Schüsse zu hören, während wir zu Maggies Wagen liefen. Mit feuerbereiten Waffen duckten wir uns, um so kleine Ziele wie möglich zu bieten. Doch niemand schoss auf uns. Die Wachleute waren noch drinnen und suchten nach Kellys geheimnisvollen Begleitern. Niemand hatte sich die Videoaufzeichnungen aus den Evakuierungstunneln angesehen, weil wahrscheinlich niemand sich mit Portland in Verbindung gesetzt hatte, weil wahrscheinlich wiederum niemand damit gerechnet hatte, dass wir so weit kommen würden. Mein Herz pochte mir in der Brust, und George gab in meinem Hinterkopf zusammenhanglose, tröstende Laute von sich, um mich zu beruhigen. Das gelang ihr auch halbwegs, aber atmen konnte ich erst wieder richtig, als wir sicher im Wagen saßen und die Außenwelt ausgesperrt hatten. Ich steckte den Schlüssel ins Zündschloss, und dann rasten wir ins spröde goldene Morgenlicht und ließen die Seuchenschutzbehörde hinter uns,
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