Deadline - Toedliche Wahrheit
wird ein ganz schönes Gewitter.«
»Ja, und wir müssen durchfahren.« Ich öffnete die Wagentür. »Solange wir nicht weggespült werden, könnte sich das sogar zu unseren Gunsten auswirken. Wenn dieses Ding so heftig ist, wie es aussieht, dann wird es tierisch schwer, uns zu verfolgen.«
»Von einem Gewitter gerettet«, sagte Mahir. »Es passieren eben wirklich die komischsten Sachen.«
Becks verdrehte die Augen. »Ich hasse es ja, euch beiden alles mieszumachen, aber wir sind in Kansas, und wir werden auch noch die nächsten zwei Stunden in Kansas sein . War es nicht hier, wo Dorothy von einem Wirbelsturm nach Oz geweht wurde? Weiß jemand von euch, woran man einen Tornado erkennt? Ich nämlich nicht. Es wäre vielleicht eine gute Idee, uns ein Motel zu suchen und zu warten, bis der Sturm sich gelegt hat.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das wäre vielleicht das Klügste, aber es geht leider nicht. Wenn die Seuchenschutzbehörde hinter uns her ist, werden sie damit rechnen, dass wir den Sturm aussitzen. Das ist vielleicht unsere beste Gelegenheit, sie abzuhängen.« Becks wirkte noch immer nicht überzeugt. Ich konnte es ihr nicht verdenken. Ich selbst war auch nicht ganz überzeugt. »Passt auf, wir rufen über Mahirs Telefon die Wettermeldungen ab. So wird uns niemand zurückverfolgen können. Und wenn plötzlich die Warnlichter angehen und es heißt: ›Runter von der Straße, ihr Vollidioten!‹, dann machen wir halt, bis der Sturm vorbei ist. In Ordnung?«
»In Ordnung«, sagte sie langsam. »Aber wenn es uns nach Oz weht, dann schmeiß ich dir ein Haus auf den Dickschädel.«
»Siehst du, mit solchen Kompromissen kann ich leben.« Ich stieg ein, gefolgt von Becks und Mahir.
Bist du dir wirklich sicher, dass das der richtige Plan ist? , fragte George.
»Absolut nicht«, brummte ich und ließ den Motor an.
Rückwärts fuhren wir von der Raststätte. Sobald wir wieder auf der Straße waren, stieg Mahir aus, um das Tor zu schließen, wobei Becks ihm die ganze Zeit mit dem Gewehr Deckung gab. Der Highway war in beiden Richtungen leer. Mögliche Reisende waren offensichtlich klüger als wir und hatten beschlossen, den aufziehenden Sturm zu meiden. Der Wagen ruckelte, als die Räder vom rissigen Pflaster der Raststättenauffahrt auf den glatten Asphalt der Interstate 400 nach Westen, Richtung Kalifornien, fuhren.
Langsam wurde es dunkler, bis wir mitten am Tag mit Scheinwerfern fuhren. Während das Licht verblasste, nahm der Wind zu, und die weiten, flachen Ebenen von Kansas boten keinerlei Schutz. Der Wagen ruckelte und bockte, bis ich schließlich gezwungen war, auf sechzig Stundenkilometer zu verlangsamen. Mahir, der auf dem Beifahrersitz saß, tippte noch immer auf seinem Telefon herum. Becks kauerte auf der Rückbank, in einer Hand ihr Gewehr und in der anderen einen Schokoriegel, und schaute mampfend aus dem Fenster. Solange sie wach blieb, war es mir ziemlich egal, was sie da hinten trieb. Ziemlich bald würde sie mich beim Fahren ablösen müssen, zumindest wenn wir aus diesem Sturm rauskommen wollten, ohne dass der Wagen am Straßenrand zerschellte.
Kansas erstreckte sich wie die Ödnis eines fremden Planeten um uns. Die Schatten der Wolken verliehen allem etwas Fremdartiges. Nur um die Stille zu vertreiben, schaltete ich das Radio ein, trat etwas stärker aufs Gas und fuhr weiter, in die Finsternis.
Wir wussten es nicht. Es gab nichts, was wir hätten tun können, und wir hatten keine Ahnung. Man kann den Wind nicht erschießen. Man kann nicht mit den Wolken diskutieren. Es gab nichts, nichts, was wir hätten tun können, um den Sturm aufzuhalten, und selbst wenn es etwas gegeben hätte, hätten wir nicht gewusst, was. Woher hätten wir es auch wissen können? Uns war noch nie zuvor etwas Derartiges widerfahren, und wir wussten es einfach nicht besser.
Es war nicht unsere Schuld. Und wenn ich das oft genug sage, glaube ich es vielleicht auch irgendwann. Ach Scheiße!
Es war nicht unsere Schuld. Wir wussten es nicht.
Himmel, wir wussten es nicht!
Aus Anpassen oder Sterben , dem Blog von Shaun Mason, 24. Juni2041 , unveröffentlicht.
22
Wir erreichten Kansas gemeinsam mit der Sturmfront und jagten dem Licht hinterher, bis die Sonne unterging und wir durch drückende, absolute Finsternis fuhren. Die Wolkendecke am Himmel schluckte jede Spur von Sternenlicht, und als es zu regnen anfing – etwa eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang – , konnte man selbst mit eingeschalteten Scheinwerfern
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