Deadline - Toedliche Wahrheit
fragte ich. »Buffy nämlich nicht.«
Darauf wusste nicht einmal George etwas zu erwidern.
»Shaun?« Mahir brüllte fast, damit man ihn durch den heulenden Wind hören konnte. »Wir haben keinen Funkempfang. Ab hier gibt es keine GPS -Verbindung mehr, wir müssen also auf eine nachvollziehbare Beschilderung hoffen.«
»Na prima«, rief ich so locker wie möglich zurück. »Was ist unsere letzte bekannte Position?«
»Wir haben vor etwa zwanzig Minuten Colorado erreicht«, rief Becks. »Denver umfahre ich – wir nehmen die Abkürzung durch Centennial und lassen Wyoming ganz aus. Wenn wir Nevada erreichen, kannst du wieder ans Steuer.«
»Abgemacht.« Ich kletterte über die Rückbanklehne und setzte mich so hin, dass ich nach vorne zur Windschutzscheibe hinausschauen konnte. »Aber ich muss ein bisschen schlafen, bevor ich wieder fahren kann. Mahir, kannst du nach hinten Ausschau halten? Schrei einfach, wenn dir was komisch vorkommt!«
»Ich glaube, das kriege ich hin«, sagte Mahir und löste seinen Anschnallgurt.
Ich streckte mich auf der Mittelbank aus, während er an mir vorbeikraxelte. Eine Tüte billige Kartoffelchips gab ein brauchbares, wenn auch komisch riechendes Kissen ab, und meine Jacke stellte eine bessere Decke dar als so manches, was ich in Motels bekommen hatte. Ich schloss die Augen, lauschte dem Heulen des Windes und dem Klang neuer Countrymusik aus dem Radio. Georges Geisterfinger strichen mir über die Stirn, linderten meine Anspannung, und alles um mich herum verblasste, als ich in einen unruhigen Schlaf fiel.
Ich erwachte mehrere Hundert Kilometer und fünfeinhalb Stunden später. Mahir schlief auf dem Rücksitz des Wagens, und das Radio war laut aufgedreht – obwohl das kaum auffiel. Die Wolkendecke wirkte hier dünner und ließ eine Ahnung von etwas hindurch, bei dem es sich möglicherweise um Sonnenlicht handelte. Der Wind machte immer noch auf Sturm und pfiff sogar noch lauter als zu dem Zeitpunkt, an dem ich eingeschlafen war. Ich setzte mich benommen auf, rieb mir den Schlaf aus den Augen und schluckte zweimal, um meine Kehle frei zu machen, ehe ich krächzte: »Wo sind wir?«
»Etwa fünfzig Kilometer weit in Nevada«, sagte Becks. Sie klang erschöpft. Ich wollte sie gerade fragen, warum sie immer noch wach war, als ich die Schicht leerer Red-Bull-Dosen auf dem Boden bemerkte. Die waren noch nicht da gewesen, als ich eingeschlafen war.
Ich rieb mir erneut die Augen. »Wart ihr noch mal einkaufen?«, riet ich.
»Sozusagen.« Becks begegnete meinem Bick im Innenspiegel, und mit einem Schreck wurde mir klar, dass sie kurz vor einer Panikattacke stand. »Wir haben immer noch keine Funkverbindung. Ich bekomme kein brauchbares Radiosignal rein. Vor etwa zwanzig Minuten habe ich zum Tanken angehalten, aber die Tankstelle war völlig verlassen. Sie war offen , aber es war niemand da. Ich habe so viel zusammengerafft wie möglich, aufgetankt und bin dann verduftet.«
»Hast du auch noch was außer Red Bull mitgenommen?«
»Allerlei Donuts, genug Cola, damit du es durch Nevada schaffst, und ein bisschen getrockneten Lachs.« Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Straße zu. »Ich glaube, wir sollten nicht noch einmal haltmachen, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Hier draußen stimmt etwas ganz und gar nicht.«
»Wie meinst du das?« Ich wühlte zwischen den Sitzen herum, bis ich schließlich die Tüte mit den Colaflaschen fand. Ich nahm mir eine Cola und eine Schachtel Donuts – die billigste Sorte, die schmeckte, als hätte man sie in Plastik mit einem Hauch Schokoladenaroma getaucht. Dann stand ich gebückt auf, kletterte zum Beifahrersitz und ließ mich neben Becks nieder.
»Ich habe seit Burlington niemanden mehr gesehen«, sagte Becks. Sie umklammerte das Steuer so fest mit beiden Händen, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. »Die Straßen waren dort ziemlich normal. Leute, die versuchten, nach Hause zu kommen, bevor der Sturm richtig losbricht, Leute, die sich mit Vorräten eindeckten – alles wie erwartet. Durch Centennial sind wir so spät gekommen, dass mir die leeren Straßen nicht weiter komisch vorkamen, aber jetzt steht die Sonne schon seit einer Stunde am Himmel. Man sollte Autos sehen. Selbst hier draußen müsste es Pendler geben. Wo zum Geier sind die also alle?«
»Vielleicht ist heute ein Feiertag.«
»Oder vielleicht stimmt hier etwas ganz und gar nicht.« Becks drückte auf den Sucher am Radio und zog eine finstere Miene, als er ein Dutzend
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