Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deadline - Toedliche Wahrheit

Deadline - Toedliche Wahrheit

Titel: Deadline - Toedliche Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Grant
Vom Netzwerk:
Kelly musterte mich eindringlich. Die Übrigen blätterten den Inhalt ihrer Umschläge durch. Anscheinend war es an mir, sie am Reden zu halten. Ich wedelte mit einem Statistikbogen und fragte: »Was ist das alles?«
    »Das ist die Märchenstunde.« Sie lehnte sich auf dem Sofa zurück und schloss die Augen. Die Erleichterung in ihrem Gesicht wich einem Ausdruck von tiefer Erschöpfung. Mit geschlossenen Augen begann sie zu erzählen. Vielleicht versuchte sie nur, sich genau auf das zu konzentrieren, was sie erzählte, aber ich bezweifelte es.
    Ich glaube, sie wollte es einfach nicht riskieren, mein Gesicht zu sehen.
    »Der erste bestätigte Fall von Kellis-Amberlee ereignete sich im Jahr 2014. Damals wurden die Viren in der Biosphäre freigesetzt, trafen aufeinander, und es gelang ihnen, sich zu einem neuen Typ zu rekombinieren. Die verschiedenen Subtypen des Virus stammen entweder von verschiedenen Initialfällen von Marburg Amberlee, oder sie sind das Ergebnis kleiner natürlicher Mutationen, die auf begrenztem geografischem Raum aufgetreten sind. Überall auf der Welt ist die Kellis-Grippe auf Marburg Amberlee getroffen, und das Ergebnis war Kellis-Amberlee. Das ist kein gewöhnliches Verhalten für ein Virus. Keines der beteiligten Pathogene war ein natürliches Virus. Kellis-Amberlee ist seit seiner ›Geburt‹ unverändert, es gibt keine Variationen.«
    Becks wirkte verwirrt. »Haben wir uns für einen Vortrag angemeldet oder was?« Ich hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Mit einem Schnauben verstummte sie.
    Kelly fuhr fort: »Die ersten bestätigten Fälle, bei denen Kellis-Amberlee in isolierten Körperregionen zum Leben erwachte – die Reservoirkrankheiten – wurden 2018 diagnostiziert. Vielleicht gab es schon vorher Fälle, und wir haben es nicht gemerkt. Die Infrastruktur war noch zu zerstört.«
    »Klingt logisch«, pflichtete ich ihr bei. Das Erwachen hatte das Gesundheitswesen weltweit ins Chaos gestürzt. Ärzte und Krankenpfleger, die an vorderster Front im Einsatz waren, gehörten zu den ersten Infizierten und ließen die Krankenhäuser der Welt mit viel zu wenig Personal zurück, selbst nachdem die ersten Schlachten gegen das Erwachen ausgefochten und im Prinzip gewonnen worden waren. Ich sage »im Prinzip«, weil es schwer ist, in einem Kampf mit derartigen Verlusten von einem Sieg zu sprechen. Es gibt immer noch Krankenhäuser und Leute, die wissen, was man darin macht, weshalb man wohl von einem Sieg sprechen muss – zumindest vorläufig.
    Ein Lächeln umspielte Kellys Lippen. »Ich könnte jetzt anfangen, Einzelfälle aufzuzählen, aber das würde euch wohl nicht besonders interessieren, und sie passen in diesem Fall auch nicht besonders gut. Sie sind nach und nach aufgetreten, es gab kein erkennbares Muster, und sie waren ebenso unheilbar wie das ursprüngliche Virus. Das ist der entscheidende Punkt an der Geschichte: Wenn man einmal eine Reservoirkrankheit hat, dann hat man sie für den Rest seines Lebens.«
    Da hat sie recht , bemerkte George verbittert. Als wir noch klein gewesen waren, war bei ihr retinales Kellis-Amberlee ausgebrochen, und sie hat bis zu ihrem Tod darunter gelitten. Die Kinder an unserer Schule haben sie immer damit aufgezogen und damit gedroht, ihr die Sonnenbrille zu klauen. Aber sie haben es nie getan. Die Gefahr, dass ihr unheimliches Leiden ansteckend sein könnte, war ihnen immer zu groß.
    Was übrigens Schwachsinn ist. Man kann sich die aktive Form von Kellis-Amberlee nicht holen, solange man nicht mit ihr in Berührung kommt, und George schwitzte das Virus nicht aus. Es lebte nur in ihren Augen, unentwegt, und wartete auf den Tag der Freiheit, an dem es ihren restlichen Körper als Spielwiese haben würde.
    Der dann auch irgendwann kam.
    Ich musste mich zwingen weiterzureden, damit meine Gedanken nicht bei Georges Schicksal verweilten. Dafür war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. »Und was ist die Moral von unserer Geschichte?«, fragte ich und stellte dabei erleichtert fest, dass meine Stimme halbwegs normal klang. »Dass Reservoirkrankheiten scheiße sind?«
    »Reservoirkrankheiten stellen ein Virenverhalten dar, das keinen Sinn ergibt, das wir nicht erklären können«, meldete Dave sich zu Wort. Alle außer Kelly drehten sich zu ihm um. Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe ein paar Virologie-Kurse gemacht, bevor ich nach Alaska gegangen bin. Ich dachte mir, dass die vielleicht dabei helfen könnten, nicht zu sterben.«
    »Ah!« Letztes

Weitere Kostenlose Bücher