Deadline - Toedliche Wahrheit
müssen. Selbst in der sicherheitsversessenen Gesellschaft von heute ist die Interstate 5 größtenteils nicht beleuchtet, lediglich die Ausfahrten sind es. An den Wachhäuschen dort trifft man freundliche, bewaffnete Herren an, die einem gerne »helfen«, falls man sich infiziert hat. Jeder Einzelne von ihnen ist ein barmherziger Samariter. Dank der Gesetzeslage müssen sie sich nicht mal vergewissern, ob man infiziert ist, bevor sie abdrücken; alles, was vor Gericht als begründeter Zweifel durchgeht, reicht als Vorwand, um jemandem eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Je weiter man sich in die Wildnis vorwagt, desto weniger begründet muss der Zweifel sind.
»Eine Nachtfahrt«, sagte ich und nahm einen weiteren Schluck Kaffee. »Toll. Genau das hatte ich heute Abend vor. Im Dunkeln über einen verlassenen Highway zu fahren ist immer ein Heidenspaß.«
Wenn ich könnte, würde ich es dir abnehmen.
»Ich weiß«, sagte ich. Alaric kam aus dem Geschäft. Er taumelte regelrecht unter seiner Last von Junkfood und Getränkeflaschen. Ich warf meinen halb vollen Kaffeebecher in den nächsten Mülleimer und zog mir den Helm über. Während ich mich aufs Motorrad schwang, winkte ich ihm kurz zu. Je schneller ich beim Tor war, desto weniger Zeit hatten wir, um darüber zu reden, was vorgefallen war. Bei Maggie würden wir dazu noch genug Gelegenheit haben. Wir würden überhaupt nicht darum herumkommen. Im Moment wollte ich einfach nur fahren, und eigentlich hatte ich nicht mal darauf besonders große Lust.
Ich hatte das Motorrad von der Zapfsäule weggefahren und wartete bereits mit laufendem Motor, als Alaric beim Wagen ankam. Er schmiss die Vorräte auf den Beifahrersitz und winkte mir mit fragender Miene zu. Inzwischen kenne ich den Willst-du-darüber-reden-Blick – weiß der Himmel, wie oft ich ihn nach Georges Tod zu sehen gekriegt habe. Ich schüttelte den Kopf und zeigte mit dem Daumen Richtung Tor.
Meine Truppe kennt meine Signale ebenso gut wie ich ihre. Alaric nickte und stieg in den Wagen. Kurz darauf zeigte Becks mir den erhobenen Daumen aus dem Fahrerfenster und ließ den Motor an. Der Wagen fuhr an, blieb hinter mir stehen und wartete auf mein Zeichen.
»Amateure«, brummte ich und ließ den Motor aufheulen.
Die restliche Fahrt nach Weed blieb in jener speziellen Weise ereignislos, bei der jeder in voller Alarmbereitschaft ist, bereit, beim kleinsten Anlass auszurasten. Horrorfilme aus der alten Zeit haben normalerweise Spannung aufgebaut, indem sie das Publikum haben warten lassen. Erst ließ man etwas Schreckliches passieren, beispielsweise indem man ein paar Hauptfiguren umbrachte, und dann ließ man die Leute rumsitzen und auf das nächste Unglück warten. Das nannte man »einen Schockmoment vorbereiten«. Tja, die Fahrt nach Weed kam mir genauso vor. Wir brausten über die verlassene Interstate 5, und mit jedem zurückgelegten Kilometer, bei dem nichts schiefging, wuchs meine Besorgnis.
Um kurz vor elf verließen wir schließlich den Freeway und trafen in Maggies Heimatstadt ein. Flutlichter erleuchteten eine Anzeigetafel in der Nähe des Ortskerns, auf der große Blockbuchstaben verkündeten: GRATULATION , JAMES ! WEEDS BÜRGER DES MONATS !
Gewisse Elemente der Kleinstadtmentalität werde ich nie verstehen. Kopfschüttelnd bedeutete ich den andern, mir zu folgen, und bog in die Straße ein, die zu Maggie führte.
Seit dem Erwachen sind Häuser entschieden zweckmäßiger geworden, da die Leute mit einem Mal begriffen hatten, dass es wichtiger war, die Zombieapokalypse zu überstehen, als mit seinen Buntglasfenstern anzugeben. Ich habe seit jeher eine Schwäche für Gebäude aus der alten Zeit. Klar, im Prinzip handelt es sich um Todesfallen, und die meisten davon sollte man am besten abreißen, ehe ein Unglück geschieht, aber es sind stilvolle Todesfallen. Diese alten Häuser sind die Irwins der Architektur. Was Maggies Haus betrifft … nun, das hätte die Steve-Medaille in Gold verdient, allein für seine Existenz.
Wir verließen die schlecht gepflegte Straße und bogen auf Maggies glatt gepflasterte, drei Kilometer lange Auffahrt ein, die sich zwischen den Bäumen hindurchwand und einen nahezu perfekten Kreis um das Haus bildete. Das ist gar nicht so unpraktisch, wie man meinen könnte: Die Auffahrt war rundherum mit automatischen Sensoren und Bewegungsmeldern bestückt, die bis zu den Außenwänden reichten, die wie gemauert aussahen, aber in Wirklichkeit aus einem mit einem speziellen
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