Deadwood - Dexter, P: Deadwood

hätte. Er sagte sich, Geschäftspartner hatten gewisse Verpflichtungen füreinander, und zwar ein Dutzend Mal, aber schlafen konnte er dennoch nicht.
    Er klopfte nur einmal an Solomons Tür, denn er wollte Mrs. Tubb nicht aufwecken. Dann versuchte er es mit dem Türknauf. Nicht abgeschlossen. Genau genommen war die Tür nicht einmal zu gewesen. Solomon saß in der Ecke auf dem Boden, im Schneidersitz, nackt und mit finsterem Gesicht. Er war schmutzig. Sein Anblick rechtfertigte die Entscheidung, seiner Ehefrau zu schreiben, und Seth Bullock war erleichtert, diese Last jetzt los zu sein. »Sehen Sie sich nur an«, sagte er.
    Solomon reagierte nicht. Er sah weder sich selbst noch Bullock oder sonst irgendetwas an. Seine Augen waren geschlossen. »Solomon?«
    Solomon schüttelte langsam den Kopf, hin und her. Bullock trat näher und bemerkte seine Kleidungsstücke, die überall auf dem Boden verteilt waren. Es sah aus, als wären sie einfach von ihm abgefallen, während Solomon im Zimmer umhergegangen war. Sein Hemd lag neben dem Bett, so schmutzig wie Solomon selbst. »Solomon, sehen Sie sich an«, sagte er. »Das sind doch nicht Sie …« Während er sprach, bückte er sich und hob das Hemd vom Boden auf. Und dann sah er, dass die Flecken kein Dreck waren. Er ging mit dem Hemd zu dem Tisch, an dem Solomon seine Briefe schrieb, und machte die Lampe an. Die Lampe verbreitete einen orangefarbenen Schein im Raum, doch schon als das Streichholz aufgeflammt war, hatte er gesehen, dass es Blut war.
    Bullock schaute wieder in die Ecke und sah dort ebenfalls Blut. Es war überall, auf Solomons Gesicht, in seinem Haar, auf seinen Händen. Er ging näher heran und untersuchte den Kopf seines Partners. Es musste eine Kopfverletzung sein, denn Blut fließt nicht nach oben. Aber er konnte keine offene Wunde erkennen. »Solomon«, sagte er langsam, »wo haben Sie sich verletzt?«
    Solomon öffnete die Augen, aber nicht, um irgendetwas im Zimmer anzusehen. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, rechnete Bullock schon damit, dass er eine neue Sprache erfand, aber als er dann den Mund öffnete, redete er fast normal. Besonders für einen Mann, der um fünf Uhr morgens nackt und blutbefleckt auf dem Fußboden saß.
    »Etwas Unaussprechliches ist passiert«, sagte er. Bullock setzte sich und wartete. In all den langen Jahren ihrer Partnerschaft hatte Solomon noch nie das Wort »unaussprechlich« benutzt, sofern es sich nicht auf Geld bezog. So wie in dem Satz »Der Zustand der Ware, die Sie uns geschickt haben, Sir, ist
unaussprechlich
, weswegen wir hiermit die Annahme verweigern«.
    Das war es,
unaussprechlich
bedeutete, dass Solomon nicht bereit war, die bestellte Ware abzunehmen.
    »Unaussprechlich«, sagte er wieder.
    »Was?« fragte Bullock. Er hatte Bilder im Kopf von betrunkenen Goldgräbern, die den neuen Brennofen mutwillig zerstörten.
    Solomon starrte auf die Wand und sah das Unaussprechliche. Bullock nahm seinen Partner bei den Schultern und schüttelte ihn. Solomons Kopf wippte vor und zurück, wie bei einem Mann, der in einer Postkutsche eingeschlafen war. Als Bullock aufhörte, sagte Solomon: »Teile von Ci-an sind über den ganzen Fußboden verstreut.«
    Bullock schloss die Augen. »Sie waren in einer Opiumhöhle«, sagte er. »Haben Dinge gesehen, die es gar nicht gibt.« Solomon schüttelte langsam den Kopf, hin und her. »Es gibt im Umkreis von dreihundert Meilen keinen einzigen Cheyenne«, sagte Bullock.
    »Sie ist in Stücke geschnitten«, sagte Solomon.
    »Wo?«
    »Chinatown«, sagte er.
    »Was in aller Welt«, fragte Bullock, »hatten Sie in Chinatown zu suchen?«
    »Da ist sie.« Solomon schloss wieder die Augen, als hätte er nun so viel gesehen, wie er vertragen konnte.
    Dann fiel Bullock ein, dass das Blut ja von irgendwoher kommen musste. Er stand auf und ging zu der Kommode, auf der Solomon eine Schüssel mit Wasser, ein Stück schwarze Seife und einen Waschlappen bereitgelegt hatte, bevor er gegangen war. Er stellte die Schüssel auf den Boden neben Solomon und rieb die Seife so lange auf dem Waschlappen, bis er einen schmutzig aussehenden Schaum produziert hatte. An Solomons Kopf beginnend wusch Bullock ihm dann von oben bis unten das Blut ab.
    Es war angetrocknet, und selbst in der kühlen Luft des frühen Morgens begann Bullock zu schwitzen. Er arbeitete in Abschnitten, reinigte in mehrere Zentimeter großen Kreisen, wusch dann den Lappen im Wasser aus und rieb ihn erneut an der Seife. Es war