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Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Titel: Deadwood - Dexter, P: Deadwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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schweißgebadet, und sein Gesichtsausdruck erinnerte Charley daran, wie er selbst das erste Mal verletzt worden war. Der Schmerz war sein eigener Lehrmeister, und man konnte nur lernen, wie er funktionierte, wenn man ihn am eigenen Leib erlebte. Wenn nicht eine Lektion auf die andere folgte – wenn sie weit genug auseinanderlagen, sodass man vergessen konnte, wie er kam, aber nahe genug aneinander dran waren, um sich zu erinnern, wie er wieder ging –, konnte man lernen, ihn zu überwinden.
    Handsome Dick stöhnte mit jämmerlich verzogenem Mund. Als er Dr. O.E. Sick sah, begann er wieder zu weinen. Der Doktor setzte sich zu ihm aufs Bett und legte ihm eine Hand auf die Stirn. »So was hab ich noch nie erlebt«, sagte Handsome. »Ich wusste gar nicht, dass es so was überhaupt gibt.«
    Der Doktor hob die Lider von Handsome Dick, eines nach dem anderen, und drückte auf seine Fingernägel, um zu sehen, ob das Blut sofort zurückkehrte, wenn er losließ. Dann ging er ans Fußende des Bettes und warf einen Blick auf das Bein. Handsomes Hose war bis über sein Knie hochgeschoben, so hoch wie es nur ging, und Dr. Sick griff in seine Tasche und holte ein Messer heraus.
    Handsome schloss die Augen und schluchzte. Dr. Sick beachtete ihn nicht weiter. Er schnitt das Hosenbein von unten bis oben auf. Handsome Dick öffnete die Augen. »Es fühlt sich schon viel besser an«, sagte er und blinzelte die Tränen weg. »Sie sind ein Zauberer.«
    Der Doktor beachtete ihn noch immer nicht. Er drückte auf die Haut um die Eintrittswunde herum, um zu sehen, ob das Blut zurückkehrte. Dann drehte er Handsome Dick auf den Bauch und besah sich die andere Seite. Sie war geschwollen und blau, und das Blut in der Wunde war zu einem schwarzen Klumpen geronnen. Das Bein war so stark geschwollen, dass man den Knochensplitter nicht mehr sehen konnte. »Der Knochen ist übel dran«, sagte der Doktor.
    Handsome Dick stöhnte. »Ich werde doch wohl nicht das Bein verlieren …«
    Charley fühlte sich an Captain Jack Crawford erinnert. Der Doktor schüttelte den Kopf. »Wir müssen die Wunde säubern«, sagte er, »Knochenfragmente entfernen und das Bein schienen.«
    Handsome Dick nickte eifrig, und der Doktor holte seine Spritze aus der Tasche. Er verpasste Handsome eine Ladung Morphium in die Vene seiner Kniekehle. Charley schaute zu, und eine Minute später entspannte sich Handsomes Miene. Ein durchtriebener Ausdruck trat in seine Augen, und kurz darauf zwinkerte er Lurline zu, die vor dem Fenster saß und aussah, als könnte sie ebenfalls einen Schuss Schmerzmittel vertragen.
    »Hört auf, mich anzugrinsen, ihr beiden«, sagte sie. Boone hatte bereits wütend das Zimmer verlassen. »Ihr macht mir nichts mehr vor.«
    »Ich werde an deinen Brüsten nuckeln«, sagte Handsome.
    Seine Augen schlossen sich selig, er hatte ein Lächeln auf den Lippen. Er lächelte jetzt. »Beachten Sie ihn nicht«, sagte der Doktor zu Lurline. »Er weiß nicht, was er da redet.«
    »Tja«, sagte sie, »wenn er nicht zurechnungsfähig ist, dann kann ich ihm ja wohl schlecht Vorwürfe machen.«
    Der Doktor kramte in seiner Tasche und fand eine Dose mit Schwarzpulver. Er tat etwas davon auf die Klinge seines Messers und streute es auf die Wunden, vorne und hinten. Handsome Dick öffnete die Augen und schaute zu.
    »Ist das Medizin?« fragte er.
    Der Doktor beachtete ihn nicht. Er nahm sich jede Wunde zweimal vor, vergewisserte sich, dass beide gut mit dem Puder bedeckt waren. Als er fertig war, sagte er Lurline, sie solle ein Handtuch anfeuchten. In der Ecke stand ein Krug mit Wasser, sie tauchte ein Handtuch hinein und wrang es anschließend aus.
    »Sie halten ihn da fest«, sagte er zu ihr, »und Sie halten ihn dort.« Er wies Charley auf die andere Seite des Bettes. Charley tat, was man ihm sagte, obwohl er gar nicht in die Sache hineingezogen werden wollte. Eigentlich wollte er den Doktor mit Handsome Dick allein lassen und nach Chinatown zurückkehren. Er legte seine Hände auf die schmalen Schultern des Sängers. Ihm wurde klar, dass der in seinem ganzen Leben noch keinen Tag gearbeitet hatte. Er stellte sich vor, wie Handsome auf den Farmer gewirkt haben musste, den er getötet hatte und dessen ganzes Leben die Arbeit gewesen war.
    Der Doktor beugte Handsomes Knie, bis der Abstand zwischen Wunde und Bett etwa fünfzehn Zentimeter betrug. »Was ist das für eine Medizin?« fragte Handsome. »Bin ich geheilt?« Dann verdrehte er die Augen, bis sein Blick an Lurline

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