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Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Titel: Deadwood - Dexter, P: Deadwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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Ort«, sagte er, »ernährt sich von seinen Toten.« Er schenkte ihnen Wein nach. »Kommt mir vor«, sagte er, »als gäbe es noch was zu tun.«
    Sie lächelte ihn an und schüttelte den Kopf. Sie sprach aus so tiefer Kehle, dass Charley es kaum verstand. »Er hatte sein eigenes Leben, und er hat es unvollendet gelebt. So etwas gibt es, bei Menschen und bei Orten … Es ist nicht das, was am Ende noch zu tun ist, es sind vielmehr die Dinge, die unterwegs unvollendet geblieben sind.« Wieder dachte er, sie könnte ihn fragen.
    »Das war sehr nett, was Sie da getan haben«, sagte er und meinte ihre Begegnung mit Jane.
    Sie senkte den Blick auf ihre Hände, die auf dem Tisch lagen. »Er hatte sein eigenes Leben«, sagte sie wieder, »daran ist nichts zu kritisieren oder zu verzeihen, es war einfach sein Leben. So wie er es gelebt hat, hinterlässt es einen Stich im Herzen, aber das ist dann mein Herz und Ihres, nicht Bills.«
    »Es gibt keinen Grund, so schnell wieder abzureisen«, sagte Charley.
    Sie drückte seine Hand und leerte ihr Glas. Sie nickte zur Tür, wo sich Mrs. Langrishe und ihre Gäste gegenseitig Dank aussprachen. »Ich überlasse Bill diesen Leuten«, sagte sie. »Sie werden ihn am Leben halten.«
    »Die haben doch gar keine Ahnung.«
    Sie lächelte ihn an und füllte erneut ihre Gläser. »Das war kein Zufall«, sagte sie. Sie hielt ihr Glas hoch, und er stieß mit ihr an. Er war nicht sicher, worauf sie tranken, Bill war es jedenfalls nicht.
    »Keinen Herzschmerz«, sagte sie und hörte sich jetzt an wie Bill. Hörte sich an wie Bill, der ihm verzieh.
    »Es hätte alles anders kommen sollen«, sagte er.
    Sie rührte ihn auf eine ganz eigene Art – vielleicht so, wie sie Jane gerührt hatte. Agnes Lake nahm einen Schluck Wein, der einen winzigen Schnurrbart auf ihrer Oberlippe hinterließ. »Manche Dinge passieren einfach«, sagte sie, »es bleibt uns überlassen, uns darüber Gedanken zu machen.« Und wieder meinte er, sie würde ihn fragen, und in diesem Moment wäre er mit ihr gegangen.
    An der Tür hatte sich Mrs. Langrishe bei den letzten Gästen bedankt und dann zur Küche umgedreht. Sie beobachtete, wie er und Agnes sich die Hände hielten. Charley merkte, dass etwas Ungnädiges in ihrem Gesichtsausdruck lag.
    »Ich werde nicht vergessen, was Sie für Jane getan haben«, sagte er. »Das wird mir in Erinnerung bleiben.« Agnes lächelte ihn an – ein Lächeln wie das von Bill – und beugte sich über den Tisch, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. Er spürte den Wein auf ihren Lippen. Dann stand sie auf, streckte sich und wollte zur Tür. Der Anblick von Mrs. Langrishe ließ sie innehalten.
    »Es besteht kein Grund zur Eile«, sagte er.
    Und dann weinte sie. Es waren keine Schluchzer und kein Jammern – das passte nicht zu ihr –, sondern sie weinte einfach nur. Er stand auf und legte wieder einen Arm um sie, das zweite und zugleich letzte Mal in ihrer beider Leben. Er flüsterte ihr ins Ohr. »Herzschmerz«, sagte er. »Uns tut’s im Herzen weh.«
    Und zwei Minuten später hatte Agnes Lake sich wieder gesammelt und wischte sich Wein und Tränen aus dem Gesicht, und Charley stand da, ganz dicht bei ihr, und wollte mit ihr gehen, wohin auch immer sie von nun an ging, wegen all der verlassenen Orte seines Lebens. »Sie müssen nicht überstürzt abreisen.«
    Und wieder lächelte sie ihn an – er schwor, er konnte Bill in diesem Lächeln sehen – und sagte Lebewohl.
    Er bot ihr an, sie zurück ins Hotel zu begleiten, doch sie schüttelte den Kopf – es sah aus wie ein plötzliches Frösteln – und ließ ihn dort in der Küche zurück, bei Mrs. Langrishe, die ihn von der Haustür aus beobachtete.
    Er setzte sich und trank aus, was noch in der Flasche war. Wenige Minuten später berührte Mrs. Langrishe ihn, sie teilte sein Haar und massierte ihm mit den Fingerspitzen den Nacken.
    »Möchten Sie noch den Rest des Hauses sehen, Mr. Utter?« fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf, versuchte sich von dem Gefühl zu befreien, dass er gerade eben seine letzte Chance vertan hatte. Aber das Gefühl ließ sich nicht abschütteln, und so versuchte er etwas anderes.
    »Warum nicht?« sagte er.
    Solomon Star saß auf dem Bett in seinem Zimmer und sah zu, wie Seth Bullock seine gesamte Habe nach Waffen durchsuchte. Zuerst den Kleiderschrank, dann den Koffer und schließlich die Kommode. »Ich besitze nur die eine Handfeuerwaffe, Mr. Bullock«, sagte er, »und die Derringer.«
    Seth Bullock gab keine

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