Deadwood - Dexter, P: Deadwood
Nasenloch.
Solomon hängte Jacke und Hose in den Kleiderschrank. Er faltete sein Hemd und legte es in eine der Schubladen, die Bullock durchsucht hatte. Dann stand er mit nacktem Oberkörper und langer Unterhose da und wartete.
»Was?« sagte Bullock.
»Nichts.«
»Nichts, was?« Bullock stand auf und folgte Solomon durch das Zimmer, stellte ihm Fragen, die er nicht beantwortete.
Da Bullock jetzt nicht mehr auf dem Bett saß, legte Solomon sich hin. Er wusch sich weder das Gesicht, noch putzte er sich die Zähne oder entfernte das Blut von seinen Lippen. Er zog die Decke bis zum Kinn hoch und starrte an die Decke. Bullock glaubte den Anflug eines Lächelns zu sehen.
»Inwiefern hat dieser Chinese Sie beleidigt?« fragte Bullock.
Solomon gab keine Antwort. Bullock stand unschlüssig im Zimmer herum und fühlte sich seltsam unbehaglich. »Habe ich Sie verletzt?«
Keine Antwort.
»Lassen Sie mich einen Lappen holen und das Blut abwaschen.« Er wollte es nicht dabei belassen. Er schüttete etwas Wasser aus dem Krug in die Waschschüssel und befeuchtete einen Lappen. Er setzte sich aufs Bett und begann, Solomon Mund und Kinn abzuwischen. Der Nasenflügel verfärbte sich dunkel, und Bullock achtete darauf, ihn nicht zu berühren.
»Sagen Sie doch etwas, Solomon.«
Solomon schüttelte den Kopf. Bullock stand auf, um zu gehen. Er legte das feuchte Tuch über die Lampe und wartete, bis die Flamme erlosch. Er öffnete die Tür und warf einen letzten Blick zurück ins Zimmer.
»Es spielt keine Rolle, Mr. Bullock«, sagte Solomon.
Bullock trat zurück ins Zimmer und hätte ihm plötzlich am liebsten noch eine Ohrfeige verpasst. »Verdammt, sagen Sie ein paar Worte dazu.«
Er schüttelte den Kopf. »Es gibt keine.«
»Es gibt immer Worte. Wenn etwas passiert, dann kann man es auch in Worte fassen.«
»Nicht in diesem Fall.« Er sprach langsam. »Nichts ist unbedeu-tender als Worte. Das Herz der Dinge ist das Ereignis selbst, und nichts, was gesprochen wird, könnte daran etwas ändern, Mr. Bullock. Genauso gut könnte man gegen den Donner anschreien.«
Im Flur brannte eine Lampe, und ihr Licht schien nun durch die offene Tür herein und über die Bettdecke. Solomons Gesicht lag im Halbdunkel daneben. Es hätten auch die Schatten sein können, aber es sah so aus, als lächelte er. Er schloss die Augen und lag totenstill da.
»Solomon?«
Er öffnete nicht die Augen und rührte sich auch sonst nicht.
Bullock wartete neben der Tür und starrte ihn durch die Dunkelheit an. Es dauerte einen Moment, und dann sah er es. Er wusste, dass er ein geheimnisvolles Lächeln sah.
»Ich muss Sie für den Rest meines Lebens im Auge behalten, stimmt’s?«
TEIL VIER
JANE
1878
Im Frühling des Jahres 1877 wurde eine Frau namens Nell McCleod gefunden, die halb nackt durch den Spearfish Canyon westlich von Deadwood irrte. Ihr Gesicht war von Indianern aufgeschlitzt worden, wodurch sie auf einem Auge erblindet war. Der Pferdehändler Brick Pomeroy und sein Bruder Mike hatten sie entdeckt und zu ihrer Farm außerhalb von Deadwood zurückgebracht, wo sie dann die Leichen von vier Kindern – alles Mädchen – fanden, die bereits mehrere Tage tot waren.
Charley saß auf der Veranda von
Lurline’s House of Distinction
, als er den Artikel im
Black Hills Pioneer
las. Die Beerdigung hatte vor einer Woche stattgefunden, und man hatte Mrs. McCleod, der Zeitung zufolge, ins Irrenhaus nach Yankton gebracht, um zu verhindern, dass sie sich etwas antat. Er wusste sofort, dass Nell McCleod die Witwe war, bei der er Milch gekauft hatte, als Malcolm krank war, und dass es ihre Kinder gewesen waren, die sich an seinen Hosenbeinen festgehalten hatten, als hätte sie gewusst, was sie erwartete.
Er war in diesem Jahr nach Lead umgezogen, zwei Meilen südlich von Deadwood, um den Betrieb des Hauses zu beaufsichtigen. Er besaß neunzig Prozent, Lurline zehn, für die Nutzung ihres Namens. Sie behauptete, die Crème de la crème von Deadwoods Freudenmädchen für ihn gestohlen zu haben. Auf Charley wirkten sie nicht wie gestohlene Crème, aber seit Agnes fort war, hatte er jegliches Interesse an solchen Dingen verloren und war nicht geneigt, irgendwelche Urteile zu fällen.
Einmal in der Woche besuchte er das zweite Stockwerk von Mrs. Langrishes Haus, und ab und zu kam Lurline nachts in sein Zimmer und biss ihm ins Bein, aber er war nicht richtig bei der Sache. Er nahm an, dass die Jahre ihn einholten.
Lurline hatte alles in allem acht
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