Deadwood - Dexter, P: Deadwood
Mädchen. Eines von ihnen saß am anderen Ende der Veranda auf dem Geländer. Sie hieß Lu-Lu und behauptete, sie wäre siebzehn. Lurline hatte sie gern draußen sitzen, weil sie die Hübscheste von allen war, mit Ausnahme von Lurline selbst, und Eindruck auf die Goldgräber machte.
Charley las den Zeitungsbericht noch einmal, langsamer diesmal, damit er nichts übersah. »Die arme Frau«, sagte Lu-Lu. Charley blickte auf und wunderte sich, wie das Mädchen wissen konnte, was er gerade las. »Ich habe gehört, dass in der Zeitung stand, wie die Indianer ihre Töchter vergewaltigt und ermordet haben.«
Charley blickte zu ihr hinüber. Er schätzte das Mädchen eher auf vierzehn. So, wie sie die Worte sagte, klang es nicht, als wüsste sie, was
vergewaltigt
und
ermordet
bedeutete. Dann sagte sie: »Man sollte jeder Rothaut in den Hills den Pimmel abschneiden, um sie zu rächen.«
Charley dachte an die Frau und den Tag, als er sie auf dem Friedhof gesehen hatte. Sie wirkte damals stark genug und hatte nicht um Hilfe gebeten. Doch die Kleinen schon. Er konnte immer noch spüren, wie sich die Kleinste an sein Bein gehängt hatte und wie schwer es gewesen war, sie wieder loszuwerden.
Die Erde bebte, und im Haus fing alles an zu wackeln. Die Hearst Company folgte dem Gold und war inzwischen unter der Stadt angelangt. Die Minenarbeiter bohrten im Abstand von ein paar Metern Löcher in den Quarz und füllten sie mit Sprengstoff. Durch unterschiedlich lange Zündschnüre explodierten die Ladungen alle gleichzeitig, wenn alles gut ging. Dann gab es eine Erschütterung, und das Haus klirrte. Wenn es nicht gut lief – und nicht alle Ladungen explodierten –, konnten die Minenarbeiter entweder bleiben, wo sie waren, und versuchen, die halb abgebrannten Zündschnüre von Hand zu zünden, oder sie konnten am nächsten Tag wiederkommen und hoffen, dass sie nicht in eine Tasche mit Sprengstoff bohrten.
Von jedem Mann, dem Gliedmaßen fehlten, wurde angenommen, er sei ein ehemaliger Minenarbeiter, und die Einarmigen waren in den Speisesälen und Lokalen in Lead immer willkommen, selbst ohne Geld. Die Stadt war durch die Hearst Company und die Minenarbeiter reich geworden, während die Goldwäscherei in Deadwood langsam versiegte. Die Städte waren so verschieden wie ihre Finanzlage.
Der Besitzer von
Lurline’s House of Distinction
wäre in Deadwood fast schon ein angesehener Mann, aber in Lead war das Gegenteil der Fall. Lurline hatte ihm erzählt, es gäbe bereits Petitionen, das Etablissement aus der Stadt zu verbannen.
Wenn es etwas gab, das Charley hasste, dann waren es Petitionen.
Die Erde fing wieder an zu beben, und drinnen im Haus waren Schreie zu hören. Er dachte an die Witwe und versuchte sich an das zu erinnern, was sie zu ihm gesagt hatte. Man konnte nicht immer genau wissen, wann jemand um Hilfe bat. Er fragte sich, warum sie nach dem Tod ihres Mannes in den Hills geblieben war. Vielleicht hatte sie keine andere Wahl gehabt. Die Gedanken an die Kleinen und ihre Wahlmöglichkeiten verdrängte er.
»Man sollte allen Rothäuten den Pimmel abschneiden«, sagte Lu-Lu wieder. »Und Captain Jack Crawford und jedem Minuteman sollte man die Eier abschneiden, wenn sie denn welche hätten.«
»Was willst du denn mit Jack Crawfords Eiern?« fragte er.
Sie lehnte sich auf dem Geländer nach vorn, sodass man ihr in den Ausschnitt sehen konnte. »Die Schlappschwänze waren da draußen«, sagte sie, »und haben zugeguckt, wie’s passiert ist.«
»So etwas tut niemand.«
»Haben sie aber«, meinte sie. »Allein letzten Abend habe ich zwei Mal gehört, dass sie dagestanden und zugeguckt haben, und manche haben sogar gelacht.«
»Menschen verstehen vieles falsch, mein Kind«, sagte Charley, »und vieles davon fällt auf fruchtbaren Boden.«
»Das ist das, was ich gehört habe«, entgegnete sie. »Und sie haben untereinander ausgemacht, nicht darüber zu reden, aber alle haben sich an dem Abend besoffen, und jeder Einzelne von diesen Feiglingen hat es ausgeplaudert.«
»Du darfst nicht alles glauben, was du in einem Bordell hörst«, sagte Charley.
»Ich glaube aber alles.«
»Du bist immer noch ein Baby.«
»Na ja«, meinte sie, »und was bist du dann?«
Daran hatte Charley eine Weile zu knabbern, während Lu-Lu den vorbeigehenden Goldgräbern zulächelte. Der Boden wackelte, und Lurline kam mit rotem Gesicht und außer Atem zur Tür gerannt. Sie sagte, zwei der Mädchen wälzten sich oben auf dem Fußboden und
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