Deadwood - Dexter, P: Deadwood

zu.
    »Ist die Gefahr vorüber, Sheriff? Wir haben die Schüsse gehört, aber wir dachten, es wäre lediglich irgendein Unheil in den Badlands passiert.«
    »Es war ein Unfall«, antwortete Bullock. »Ein chinesischer Gentleman wurde auf der Straße angeschossen.«
    Sie stand da, die Hände in die Hüften gestemmt. Sie war mit einem der Anwälte verheiratet, die sich in der Stadt niedergelassen hatten. Er konnte sich nicht erinnern, welcher es war, es gab inzwischen an die fünfzig von ihnen, angelockt von den Streitigkeiten wegen der Eigentumsrechte an den Claims. »Mr. Star hat nicht sehr viel Glück bei den Chinesen«, sagte sie.
    Seth Bullock tippte sich an die Hutkrempe. Er brachte Solomon in das neue Gefängnis, einen Fachwerkbau neben der Kornmühle, und schloss hinter ihnen die Tür. Drinnen gab es zwei Stühle und einen Tisch. Solomon nahm auf dem einen Stuhl Platz, er selbst auf dem anderen. Dann starrte Bullock seinen Geschäftspartner über den Tisch hinweg fast eine ganze Minute lang an.
    Solomon war woanders.
    »Sie haben jetzt zweimal auf ein und denselben Chinesen geschossen«, sagte er und klang dabei sehr gefasst. Bullock sprach immer in vernünftigem Ton mit denen, die er verhaftete. Solomon nickte und sah zur Decke. »Dieses Mal kann ich’s womöglich nicht mehr als Unfall durchgehen lassen.«
    Solomon kam ins Hier und Jetzt zurück. »Es war nie ein Unfall.«
    »Dieser Chinese …«
    »Tan You-chau«, sagte Solomon.
    Bullock war überrascht, dass er den Namen kannte. Die Namen, die Weiße von Chinesen kannten, waren die Namen, die sie ihnen gegeben hatten. So wie Ding Dong und Hop Lee und Heap Wash. »Einer ist wie der andere«, sagte er.
    Solomon starrte zur Decke.
    »Ich muss Sie einsperren«, sagte Bullock. »Die ganze Stadt weiß von der Sache.« Solomon war woanders. Bullock ballte die Faust und ließ sie auf den Tisch krachen.
    Solomon zuckte mit keiner Wimper. »Wir haben uns sehr lange gegenseitig vertraut«, sagte Bullock, jetzt wieder gefasst. »Wenn Sie mir verraten würden, um was es bei diesem Zwist geht, könnte ich die Sache womöglich in Ordnung bringen. Hat dieser Chinese Sie vielleicht beleidigt?«
    Solomon zuckte mit keiner Wimper.
    Bullock holte die Schlüssel aus der Schublade des Tischs und stand auf. »Ich muss Sie jetzt einsperren«, sagte er wieder. »Sehen Sie nun, wohin das geführt hat?« Als Solomon nicht antwortete, schloss Bullock die Zellentür auf.
    »Ich werde den Chinesen ausfindig machen und sehen, wie schlimm er verletzt ist«, sagte er. Solomon ging in die Zelle und setzte sich auf die Pritsche an der Wand. Es gab einen gelben Nachttopf in der Zelle und ein Eisengitter vor dem Fenster, der Boden war aus gestampfter Erde. Bullock schloss die Tür ab. Er sah Solomon an und dachte ans Geschäft. »Ich hätte das schon beim ersten Mal tun sollen«, sagte er. »Zu Ihrem eigenen Besten hätte ich Sie schon längst einsperren sollen.«
    Solomon sah ihn nicht an.
    Bullock kehrte zurück ins Hotel. Er fand Lucretia in der Küche und sagte ihr, sie solle dafür sorgen, dass Solomon etwas zu essen bekam. »Alles, was er haben will«, sagte er.
    Bullock ging nach Chinatown und suchte den verletzten Chinesen. Dort stank es auf hundert verschiedene Arten, so wie nirgendwo sonst in der Stadt. Er vermutete, dass das zum größten Teil an den kleinen Tieren lag, die in den Fenstern hingen, denn die Chinesen selbst rochen, bis auf die Huren, eher staubig.
    Er klopfte an die Tür von Tans Theater, aber niemand öffnete ihm. Er hörte im Inneren Geräusche und ging um das Haus herum nach hinten. Dort fand er drei Mädchen, die vor dem Abort anstanden. Sie sahen ihn mit großen Augen an, als er nach Tan fragte, und schüttelten den Kopf. Er ahmte einen Mann nach, der angeschossen wurde, und sie wichen ängstlich vor ihm zurück. Als er sich umdrehte, hörte er sie kichern.
    Er ging über die Straße zum Totenhaus, doch der alte Mann dort war blind. Er stand an der Tür, blickte über seinen Kopf hinweg und sagte: »Nein, nein, nein.« Bullock überlegte, für wie groß der alte Mann die Weißen wohl hielt.
    Auf der Türschwelle war Blut.
    Hoffnungsvoll kehrte er in die Stadt zurück. Wenn der Chinese es ablehnte, Anzeige zu erstatten, oder starb, dann würde sein Partner nicht belangt werden.
    Er fand Solomon auf der Pritsche liegend und beschloss, ihn über Nacht dort zu lassen. »Ich habe den Chinesen gefunden«, sagte er. Solomon sah aus dem Fenster. »Er ist im