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Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Titel: Deadwood - Dexter, P: Deadwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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Ma’am.«
    »Bei allem Unglück gibt es immer auch etwas Gutes«, sagte sie. »Manchmal ist es nur nicht so einfach zu finden.«
    Dann herrschte Stille, beide hatten alles gesagt. »Und«, fragte Charley nach einer Weile, »wie geht es Ihrer Kuh?«
    »Gut«, antwortete die Witwe. Dann blickte sie nach Norden, zum älteren Teil des Friedhofs. »Wir sind hergekommen, um den Vater der Mädchen zu besuchen«, sagte sie, »aber ich wollte auch ein Gebet für Ihren Freund sprechen.«
    »Danke«, sagte Charley.
    »Die Gebete von Kindern werden zuerst erhört«, fügte sie hinzu. »Davon bin ich überzeugt. Sie sind unverdorben und rein.« Charley übergab ihr das Kind, das seinen Hals nicht loslassen wollte und jammerte, als seine Mutter es nahm. Charley griff in seine Tasche und fand ein Zwanzig-Dollar-Goldstück. Er drückte es der Witwe in die Hand und schloss dann ihre Finger darum.
    »So etwas kann ich nicht annehmen«, sagte sie.
    Charleys Blick wanderte erneut über den aufgerissenen Boden und den frisch geschlagenen Stumpf. »Nichts auf dieser Welt ist so bedeutungslos wie Geld«, sagte er zu Bill ebenso wie zu ihr. Er sah die Witwe wieder an und merkte, dass er sie beschämt hatte. »Beim Geld«, sagte er, »kommt es letzten Endes nur darauf an, wer es hat. Und in dieser Hinsicht brauche ich im Augenblick nicht mehr, als ich habe.«
    »So habe ich das bislang nie gesehen«, sagte sie. »Aber ich war ja nie diejenige, die es hatte.« Das kleine Kind auf dem Arm seiner Mutter streckte die Arme nach ihm aus.
    Er hielt inne.
    »Erlauben Sie mir, Ihren Kindern einen Kuss zu geben«, sagte er, »und dann muss ich los.« Die Kleinste küsste er zuerst. Dann löste er sich aus ihren Armen, ging auf die Knie und umarmte die anderen. Als er ihre weichen Gesichter küsste und dabei ihre Haare in den Mund bekam, spürte er, wie ihm Tränen in die Augen traten, und er hielt sie nicht zurück.
    »Willst du keine Milch mehr von uns haben?« fragte eines der Kleinen.
    »Ich werde von Zeit zu Zeit vorbeikommen«, sagte er, »aber jetzt muss ich los.«
    Die Witwe nahm ihre Kinder bei der Hand. »Wir werden Mr. Utter wiedersehen«, sagte sie. Charley machte sich auf den Rückweg. Er hörte noch eines der Mädchen fragen, wann das sein würde. »Wir werden ihn sehen«, antwortete die Witwe, »wenn er hier heraufkommt, um seinen Freund zu besuchen.«
    Auf dem Weg zu seinem Camp machte Charley kurz bei der Zeltbar auf der anderen Seite des Bachs halt, um sich eine Flasche Whiskey zu besorgen. Ohne Bill an seiner Seite erkannte ihn der Barkeeper nicht und hielt ihn für einen Reisenden. »Die Stelle, an der du da stehst, mein Freund, ist genau die Stelle, an der Wild Bill Hickock zum ersten Mal Deadwood betreten hat. Du befindest dich an einem historischen Ort.«
    Charley gab ihm fünf Dollar und nahm die Flasche.
    »Du möchtest nicht zufällig eine Flasche Gin and Bitters probieren?« fragte der Barkeeper. »Das war Wild Bills Lieblingsgetränk.«
    Charley schüttelte den Kopf und wandte sich ab, um die Straße zu überqueren. »Einen Moment noch, Pilger«, sagte der Barkeeper, »die Flasche kostet acht Dollar.« Charley gab ihm einen weiteren Fünfer und wartete auf das Wechselgeld. Der Barkeeper bewahrte sein Geld in einer Zigarrenkiste auf, und als er die Hand wieder herauszog, hielt er Haare zwischen den Fingern. »Hier, sieh dir das an«, sagte er und zeigte Charley eine lange, hellbraune Locke. »Die hier ist von Wild Bill höchstpersönlich.« Charley kniff die Augen zusammen und sah, dass er die Wahrheit sagte.
    »Wie ist das in deinen Besitz gelangt?« fragte er.
    Der Barkeeper beugte sich vor. »Die hab ich von Doc Pierce«, sagte er. »Der hat die Leiche untersucht.« Dann entdeckte der Barkeeper etwas in Charleys Augen. »Das ist alles legal«, versicherte er. »Ich hab’s gekauft, es ist also nichts Dubioses …«
    Charley nahm die Flasche und überquerte zuerst die Straße und dann den Bach. Er zog Bills Sattel aus dem Planwagen und legte ihn auf den Boden vor dem Baumstumpf, auf dem Bill immer gesessen hatte, während das Quecksilber trocknete. Er fand Papier und Stift und setzte sich zum Schreiben hin.
    Nichts kam. Er versuchte sich vorzustellen, wie sie vor ihm stand und was er sagen würde, aber zu mehr als einem Räuspern langte es nicht. Es gab viel zu viel zu erzählen, er wusste gar nicht, wie er es anstellen sollte. Er stellte sich vor, wie er sie umarmte, so wie er es mit den Kleinen gemacht hatte, aber weiter

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