Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
RTL-Nachrichtenredaktion anzuwählen. Wie Superman tauchte Peter in null Komma nichts an meinem Krankenlager auf. Er musste sofort nach Sendeschluss aus dem Studio gerannt und mit Höchstgeschwindigkeit zu mir gerast sein. Allerdings hatte ich vor seinem Eintreffen bereits weitere Erfahrung in der Rolle der hysterischen Patientin gesammelt.
Als die junge Krankenschwester erneut mein Zimmer betrat, richtete Peter deutliche Worte an sie: »Wenn Sie wieder einmal eine Patientin haben, die vor Schmerzen schreit, und Sie können das nicht verstehen, dann halten Sie vielleicht einfach in Ihrem Tun inne und versuchen festzustellen, weshalb die Patientin schreit. Stellen Sie sich vor, Sie liegen als Ausländerin in einem Krankenhaus und verstehen kein Wort. Wie würden Sie sich da fühlen?«
Die Schwester, geschockt, dass jemand so mit ihr sprach, antwortete mit Schweigen. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie danach jemals wieder mein Krankenzimmer betreten hat. Ich habe sie auch nicht vermisst.
Damals wünschte ich mir einen intravenösen Schlauch, wie in amerikanischen Kliniken üblich, durch den auf Knopfdruckein Schmerzmittel in die Blutbahn gepumpt wird. In meinem Krankenhaus auf dem Land wurde ich stattdessen regelmä-ßig tagsüber gestört und nachts geweckt, um Spritzen in den Oberschenkel sowie Zäpfchen in den Allerwertesten verpasst zu bekommen. Ich hatte zwar einen hübschen Ausblick auf ein Getreidefeld, aber mehr Hightech und weniger Schmerzen wären mir lieber gewesen. Ich sehnte mich nach einer modernen amerikanischen Klinik oder nach einer modernen deutschen Klinik. Gerne auch mit Blick auf eine Fabrik.
Nach einer Woche Zwangsaufenthalt bat ich die Ärzte, gehen zu dürfen. Am achten Tag wurde ich schließlich wieder in die Freiheit entlassen, zurück in unsere Wohnung in Köln. Wie jeder Frischoperierte verbrachte ich die meiste Zeit auf der Couch und schlief in den ersten Tagen sehr viel. Mein Deutschkurs musste warten. Doch das war nicht weiter schlimm, denn in dieser Angelegenheit entpuppte sich meine Krankheit als ein Geschenk des Himmels. Da ich an die Wohnung gefesselt war, begann ich fernzusehen. Das war beileibe keine schlechte Methode, um den Klang der deutschen Sprache in mein Ohr zu bekommen. Schönen Dank auch, Harry Wijnvoord.
3 DEUTSCHSTUNDE
Es mag ein wenig merkwürdig klingen, dass ich die deutsche Sprache ausgerechnet von einem niederländischen Gameshow-Moderator lernte, aber so war es. Harry Wijnvoord moderierte zu dieser Zeit die Sendung Der Preis ist heiß (Das kommt bei dem Versuch heraus, einer Spielshow einen sexy Titel zu verpassen!). Es handelte sich um die deutsche Version der amerikanischen Gameshow The Price is Right , die gefühlte fünf Millionen Jahre von Bob Barker moderiert wurde. Meine Generation, die Babyboomer, wuchs mit dieser Sendung auf und riet damals immer begeistert mit, wenn es darum ging, den Preis von Lebensmitteln richtig zu schätzen, um ein Auto oder einen Traumurlaub oder wenigstens einen Fernseher zu gewinnen – wenn auch nur in der Fantasie. Da ich mit den Spielregeln vertraut war, konnte ich Harry einigermaßen folgen, der für mein ungeübtes Ohr perfekt Deutsch sprach.
Kurz vor meinem Umzug hatte ich bereits in New York mit einem Berlitz-Deutschkurs begonnen. Ich wollte bei meiner Ankunft in Deutschland fähig sein, wenigstens ein paar Grundbegriffe zu benutzen. Mein Deutschlehrer bei Berlitz war super, und der Veranstaltungsort lag günstig für mich, aber trotzdem nahm ich nur sporadisch an dem Kurs teil, da ich beruflich oft unterwegs war. Weil ich obendrein den Kurs am Bonner Goethe-Institut vorzeitig abbrechen musste, beschränkten sich meine Deutschkenntnisse auf wenige Worte und Sätze, die mir alles andere als selbstbewusst über die Lippen kamen.
Im Nachhinein hätte ich mich dafür treten können, dass ich mich als Vierzehnjährige an der Junior Highschool nicht für den Deutschkurs von Miss Griebel entschieden hatte, obwohl die meisten meiner Freundinnen in dem Kurs waren. Aber ich dachte damals: »Alle belegen Deutsch, ist doch langweilig. Ich wähle Französisch.« Später, an der University of Minnesota, studierte ich sogar ein paar Semester Französisch, was auch keine große Hilfe für meine Eingewöhnung in Deutschland war.
Die einzige andere Fremdsprache, die ich konnte, hatte ich bei meinem einjährigen Aufenthalt in Neuseeland als Teilnehmerin des American Field Service-Austauschprogramms gelernt: Kiwi-Englisch. Aber
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