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Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet

Titel: Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Kloeppel
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Problem darin, dass ich fünf Pfennige zu wenig bezahlt hatte. Scheinbar hatte ich aus purer Unwissenheit das falsche Ticket gelöst. Hätte die Kontrolleurin geahnt, dass ich nicht einmal allein aus einem Hotel herausfinde, hätte sie mir vielleicht geglaubt. Wenigstens wurden mir keine Handschellen angelegt. Aber die Kontrolleurin quetschte mich über mein Ziel und mein Vorhaben aus. Nicht, dass es sie etwas anging, aber ich zeigte ihr rasch den Zettel mit der Adresse der Arztpraxis. Erstaunlicherweise verlangte sie von mir keine Nachzahlung, sondern ließ mich irgendwann aussteigen. Nach ihrem Verhör zückte ich meinen zuverlässigen Stadtplan und machte mich schleunigst aus dem Staub mit dem Gefühl, ganz knapp einer Tracht Prügel entkommen zu sein. Gleich darauf hörte ich Schritte hinter mir. Kein Scherz! Die Kontrolleurin folgte mir die Straße entlang. Aber irgendwann wurde es ihr wohl zu langweilig mit mir: Sie kehrte um und ging zurück ins Straßenbahnland.
    Mein Besuch beim Arzt war nicht lustig. Aber sind Arztbesuche jemals lustig? Ich ging zum Arzt, weil ich mich krank fühlte, und wurde mit der Diagnose, dass alles in Ordnung sei, wieder nach Hause geschickt. Da dem aber nicht so war, betrieb ich ein bisschen Ärzte-Hopping.
    Eine erfahrene Ärztin gab meinem Problem schließlich einen Namen, nämlich Endometriose. Das ist eine Frauenkrankheit, die häufiger vorkommt, als allgemein bekannt ist. Zusammen mit der Diagnose erhielt ich ein Last-Minute-Ticket in den nächsten OP-Saal. Auweia! Es war ziemlich beunruhigend, jemanden mit dem Skalpell an mich heranzulassen, mit dem ich mich so gut wie gar nicht verständigen konnte.
    Als Peter abends aus dem Studio kam, brachte er mich direkt ins Krankenhaus. Zu jenem Zeitpunkt ahnte ich nicht,dass die Klinik ihr Geld im Voraus haben wollte. So war das System. Kein Geld, keine Behandlung. Peter musste mehrere tausend Mark bezahlen, bevor man mich aufschnitt. Inzwischen weiß ich, dass meine scheinbar exotische Krankenversicherung die Vorauszahlung erforderlich machte; die Krankenhausverwaltung war einfach skeptisch, ob sie sonst je ihr Geld sehen würde. Zwar war die Londoner Versicherung, bei der ich meinen Vertrag abgeschlossen hatte, vertrauenswürdig und sehr entgegenkommend, aber in Deutschland leider gänzlich unbekannt.
    Zu meinem Glück war Peters Schwester Susanne wieder für mich da. Sie nahm zwei Stunden Fahrt auf sich, um bei dem ärztlichen Gespräch vor meinem Eingriff dabei zu sein. Ihre Anwesenheit war, als habe jemand das Licht angeknipst. Sie konnte mir alles ins Englische übersetzen und meine Fragen beantworten. Obwohl Susanne mich zu diesem Zeitpunkt kaum kannte, bemühte sie sich sehr, mir das gesamte medizinische Prozedere verständlich zu machen.
    Ich machte die Erfahrung, dass Deutschland ein gut ausgebautes, erstklassiges Gesundheitssystem besitzt, wenn auch nicht gerade Fünf-Sterne-Kliniken. Wahrscheinlich werden so die Kosten niedrig gehalten. Das kleine Krankenhaus auf dem Land, in das ich eingewiesen wurde, war nicht unbedingt auf dem neuesten Stand der deutschen Technik und lockte auch nicht gerade das bestqualifizierte Pflegepersonal an. Ich hatte das Pech, dass ich dort routinemäßig eine schmerzhafte Prozedur über mich ergehen lassen musste.
    Wenige Tage nach der Operation betrat eine junge Krankenschwester mein Ein-Stern-Zimmer mit Aussicht und begann, ohne ein Wort an meinen OP-Schläuchen herumzufummeln. Keine Zeit oder Lust für ein Lächeln, geschweige denn für eine Begrüßung, rupfte sie an mir herum, und es fühlte sich an, als würde sie meine Eingeweide herausreißen. Das Krankenhaus verwandelte sich in eine Folterkammer und die Krankenschwester in meinen schlimmsten Albtraum. Ich versuchte, ihr durch Brüllen Einhalt zu gebieten, aber vergeblich. Sie ließ sich nicht beirren. Am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass ich im falschen Film bin. Ich hatte mich nie für die Rolle der hysterischen Patientin beworben.
    Als die Krankenschwester von mir abließ und wieder verschwand, bekam ich fast keine Luft mehr. Aus dem Augenwinkel konnte ich Peters Nachrichtensendung auf dem Fernseher verfolgen, den man in mein Zimmer gestellt hatte. Da Peter jeden Abend um dieselbe Zeit moderierte, hatte ich zuvor bereits RTL eingeschaltet. Kaum war die Sendung vorüber, sammelte ich meine fünf Sinne, griff zu dem altmodischen Telefon aus den Siebzigern neben meinem Bett und schaffte es mit letzter Kraft, die

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