Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
aus, dass dies die Bezeichnung für die Kürbislaternen sei und nicht der Name des Festes. Die leuchtenden Kürbisse heißen aber Jack-o-lantern .
Überraschenderweise gibt es deutsche Eltern, die Halloween ablehnen. Nicht, weil sie amerikafeindlich sind. Nein, vielmehr liegt es daran, so habe ich gelesen, dass viele Familien lieber die deutsche Tradition von Sankt Martin am Leben erhalten wollen. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich habe selbst mit Freude und Andacht an vielen Martinszügen teilgenommen und verstehe, dass diese besondere Tradition auf jeden Fall beibehalten werden sollte.
Im Rheinland veranstalten viele Gemeinden, Schulen und Kirchen Martinszüge. Diese werden gewöhnlich von einem als römischer Soldat verkleideten Reiter auf einem echten Pferd angeführt, dem viele Menschen folgen, Kinder mit ihren selbst gebastelten Laternen wie auch Erwachsene. Manchmal werden sie von einer Musikkapelle begleitet.
Als meine Mutter und meine Schwester mich einmal Anfang November besuchten, gingen wir zusammen zu einem der Züge. Die beiden waren zutiefst beeindruckt von den Lichtern in den Häusern und den strahlenden Gesichtern der Kinder, die stolz ihre selbst gebastelten Laternen vor sich hertrugen. Besonders begeistert waren sie davon, dass jeder Bewohner der Ortschaft an dem Zug teilzunehmen schien und die Martinslieder mitsingen konnte.
Am schönsten finde ich zum Schluss immer das große Martinsfeuer. Nach dem kalten und oft verregneten Marsch freue ich mich auf ein Glas Glühwein und die Kinder auf einen Weckmann, eine Figur aus süßem Teig, die einen Bischof darstellt. Im Anschluss ziehen die Kleinen mit ihren Laternen singend von Haus zu Haus, um Süßigkeiten einzusammeln. Das macht Halloween im Prinzip überflüssig. Obwohl ich andererseits überzeugt bin, dass Kinder nichts gegen noch mehr Süßigkeiten einzuwenden hätten – und es ihnen wahrscheinlich ziemlich egal wäre, ob nun ein amerikanischer oder europäischer Brauch dahintersteckt.
17 ALLE JAHRE WIEDER
Nach Halloween und Sankt Martin steht meine liebste Zeit in Deutschland vor der Tür: der Advent. Das wurde mir erst vor Kurzem richtig bewusst, als eine Freundin, die zurück in die USA gezogen war, erwähnte, wie sehr sie den deutschen Advent vermisse. Es ist eine magische Zeit, und das Schönste daran ist, dass man sie einfach auf sich zukommen lassen kann. Zu Beginn spürt man keine Weihnachtshektik. Noch gibt es keine Diskussionen darüber, welche Verwandten man an Weihnachten einladen soll, kein Kopfzerbrechen, wem man was schenken soll. Die Adventszeit hat einen beschaulichen Charakter: Man trifft sich mit Freunden zu Tee und Lebkuchen und zündet Woche für Woche eine weitere Kerze am Adventskranz an.
Als ich im Dezember 1990 das allererste Mal überhaupt in Deutschland war, machte ich eine großartige Entdeckung: den Weihnachtsmarkt.
Alle ausländischen Touristen schwärmen immer nur vom Nürnberger Christkindlesmarkt, aber überall in Deutschland finden in der Adventszeit Weihnachtsmärkte statt. In den Innenstädten werden kleine Holzbuden aufgebaut, und es entstehen gemütliche Weihnachtsdörfer, in denen es nach Glühwein und Reibekuchen duftet. Die bunten Stände, an denen Nussknacker, Räuchermännchen, Weihnachtsschmuck, Kerzen, Strickwaren, Holzspielzeug und anderes Kunsthandwerk verkauft werden, ergeben zusammen ein wunderschönes Ambiente, das ich am liebsten mit einem Becher Glühwein in der Hand genieße. Bei unserem letzten Besuch in Minnesota wollte ich der ganzen Verwandschaft ein wenig dieser deutschen Weihnachtsstimmung vermitteln und setzte selbst einen großen Topf mit Glühwein auf. Das wurde mit Begeiste-rung angenommen. Kein Wunder, dass Besucher aus der ganzen Welt in der Weihnachtszeit gerne nach Deutschland kommen.
Meine Tochter trat in den vergangenen Jahren regelmäßig mit dem Schulchor auf einem Weihnachtsmarkt in der Stadt auf. Die Kinder sangen mit großer Freude überwiegend englische, aber auch ein paar deutsche Weihnachtslieder.
Meine Mutter ist der größte Weihnachtsmarktfan überhaupt. Allerdings muss ich sie immer davon abhalten, stän-dig neue Nussknacker oder Räuchermännchen zu kaufen. Sie hat davon nämlich schon eine Großfamilie, die sämtliche Vitrinen und Regale in ihrem Wohnzimmer bevölkert. In den vergangenen Jahren hat sie geschätzte zwei Dutzend Nussknacker und Räuchermännchen von Deutschland nach Amerika geschleppt und nur wenige davon verschenkt. Zum Glück
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