Deathbook (German Edition)
Reiter «Videos» öffnete sich ein weiteres Fenster.
In zwei parallelen Reihen waren dort Standbilder von Videoaufnahmen angeordnet. Mitten in den Bildern prangte der Start-Pfeil, mit dem der Betrachter die Videos starten konnte. Eine Videothek des Schreckens.
Ich hatte mich inzwischen neben Manuela auf die Couch gesetzt. Atemlos hatten wir Teile des Deathbook angeschaut. Nur oberflächlich, aber das reichte schon.
Es waren alle da: Kathi, Thomas Resing, Mario Böhm, Julia Neige, aber auch andere Gesichter, die wir noch nicht kannten. Peter Thaumann vermisste ich, aber wahrscheinlich hatte der Täter ihn nicht gefilmt. Thaumann war getötet worden, weil er zu viel wusste.
Und Jan war auch da, gleich auf der Startseite.
«Er hat ihn also doch», sagte ich leise.
«Was für ein Irrer steckt nur dahinter? Das ist so was von krank!»
Manuelas Stimme klang belegt. Ihre Finger schwebten zitternd über dem Touchpad. Sie war noch nicht lange dabei, aber ich konnte mir vorstellen, dass auch altgediente Kollegen so etwas noch nicht gesehen hatten.
«Wir müssen ihn finden, so schnell wie möglich. In dieser kurzen Zeit kann er Jan und Ann-Christin nicht getötet haben. Wir haben eine realistische Chance, sie zu retten», sagte ich.
«Und du weißt auch, wo wir suchen sollen?»
«Verflucht noch mal, nein. Aber er muss doch Spuren hinterlassen haben! Niemand begeht so viele Straftaten, ohne Spuren zu hinterlassen. Das gibt’s doch gar nicht!»
Ich sprang von der Couch und lief im Wohnzimmer auf und ab, mein Blut kochte. Manuela hatte es vermieden, das Video zu Kathis Tod zu starten, aber das war auch nicht nötig gewesen. Statt ihres toten Gesichts war in der rechten Spalte eine abgetrennte Hand abgebildet – es war nicht genug von ihr übrig geblieben für ein Porträtfoto.
In diesen Minuten wuchs mein Hass ins Unermessliche, und ich spürte, sollte ich jemals dem Deathbook-Killer gegenüberstehen, ich wäre in der Lage zu töten.
«Entschuldigen Sie», kam es von der Tür her. Es war einer der beiden Polizeibeamten, die uns vor dem Haus erwartet hatten. «Wir haben hier einen Nachbarn, mit dem Sie eventuell sprechen sollten.»
Wir standen auf und folgten ihm. Vor der Haustür wartete ein Mann in blauem Jogginganzug. Seine Haare standen zu Berge, vermutlich hatte er schon geschlafen. Er stellte sich als Jürgen Böse vor, der Nachbar von schräg gegenüber.
«Ann-Christin hat am späten Abend bei mir geklingelt, da kam sie gerade von der Spätschicht im Supermarkt», sagte er. «Sie hatte Angst, allein ins Haus zu gehen, da hab ich sie begleitet und mich umgesehen. Aber hier war alles in Ordnung.»
«Wovor hatte sie Angst? Hat sie Ihnen das verraten, Herr Böse?», fragte Manuela.
«Sie hat gesagt, wegen der vielen Einbrüche in der Gegend, aber das stimmte nicht, das wusste ich sofort. Ihre Mutter ist vor vierzehn Tagen verstorben, ganz komische Geschichte, ist die Kellertreppe runtergefallen. Vielleicht ein Unfall, aber die Leute reden. Es könnte auch wer anders gewesen sein, sagen sie.»
«Und wer?»
«Der Vater. Die sind seit langem geschieden, aber das ist ein trunksüchtiger Raufbold, der hat den beiden immer wieder nachgestellt. Die Leute sagen, er hätte die Mutter die Treppe hinuntergestoßen.»
Manuela warf mir einen vielsagenden Blick zu. «Wissen Sie, wie der Mann heißt?»
«Lutz Kaiser. Er wohnt hier in der Stadt. Salzstraße, glaube ich.»
«Okay, wir prüfen das. Sagen Sie, im Haus ist Ihnen nichts aufgefallen? Oder auf der Straße, ein fremder Wagen vielleicht?»
Er schürzte die Lippen und schüttelte den Kopf. «Nein, hier war alles wie immer. Im Haus war alles in Ordnung, auf der Straße hab ich nicht so genau hingeschaut.»
«Vielen Dank, Herr Böse, Sie haben uns sehr geholfen. Falls wir noch Fragen haben, melden wir uns bei Ihnen.»
Manuela verabschiedete sich von dem Mann und wollte ins Haus zurückkehren, drehte sich aber noch einmal um.
«Herr Böse, wissen Sie, ob es noch weitere Angehörige gibt? Jemanden, den wir informieren können?»
«Ann-Christin und ihre Mutter waren allein, ich wüsste nicht … ach doch, ja, sie hat eine Tante. Hier in der Stadt.»
«Können Sie uns den Namen und eine Telefonnummer nennen?»
«Ich nicht, aber meine Frau ganz sicher. Ich laufe eben rüber und frag sie.»
«Mein Kollege begleitet Sie», rief Manuela ihm hinterher und bat den Polizisten mitzugehen.
Den zweiten beauftragte sie damit, sofort einen Streifenwagen zu Lutz
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