Deathbook (German Edition)
eigenen Gedanken verstrickt, um Manuela wirklich folgen zu können.
«Entweder der Täter hat einfach nur Glück», sagte ich, «oder der Blogger hat doch recht.»
«Womit?»
«Dass der Deathbook-Killer der Tod selbst ist.»
Manuela schnaubte verächtlich. «Schwachsinn», sagte sie und drängte sich an mir vorbei ins Wohnzimmer. «Du schreibst zu viel von diesem düsteren Zeug, das tut dir nicht gut. Er hat einfach nur Glück gehabt. Aber das wird nicht immer so weitergehen. Das nächste Mal sind wir am Zug.»
Das nächste Mal.
Unwillkürlich fragte ich mich, wie das nächste Mal aussehen würde. Wenn wir es nicht schafften, Jan und Ann-Christin zu retten, würde ich selbst dann das nächste Opfer sein?
Manuela setzte sich auf die vordere Kante der Couch. Erst jetzt sah ich, dass sie das Handy mitgebracht hatte. Sie legte es auf dem Tisch ab.
«Kannst du mal nach einem Ladekabel schauen?», bat sie mich. «Wahrscheinlich oben, im Zimmer des Mädchens. Vielleicht findest du dort auch ein Foto von ihr. Ansonsten durchsuchen wir ihr Handy und den Rechner, da wird bestimmt eins drauf sein. Das hat erst einmal Vorrang, die Kollegen brauchen ein Gesicht.»
«Okay.» Ich eilte die Treppe hinauf, fand das Zimmer und das Ladekabel. Es lag auf dem Nachtschrank neben dem Bett. Dort stand auch ein schwarz gerahmtes Foto: die Porträtaufnahme einer Frau Mitte bis Ende vierzig. Sie hatte dunkles Haar und dunkle Augen, die traurig dreinblickten. Ich sah mich nach weiteren Fotos um, fand aber keine. Bevor ich mir die Zeit nahm und das übervolle Regal nach Ordnern durchsuchte, lief ich wieder hinunter und übergab das Ladekabel an Manuela.
«Da oben ein Foto zu finden, könnte dauern», sagte ich.
«Dafür haben wir keine Zeit.»
Sie suchte eine Steckdose, fand sie neben dem Fernseher und stöpselte das Handy ein. Dann kehrte sie zur Couch zurück, setzte sich und startete den Laptop.
«Hoffentlich hat sie kein Passwort angelegt.»
Ich stellte mich so hinter die Couch, dass ich über Manuelas Schulter hinweg den Bildschirm sehen konnte.
Aus dem Stand-by sprang der Rechner sofort ins Windows-Menü, eine Passworteingabe war nicht nötig.
«Glück gehabt», sagte Manuela.
Der Computer war online und zeigte die Seite, die Ann-Christin sich zuletzt angesehen hatte.
Der Hintergrund der Website war schwarz. Am oberen Rand der Seite stand in blutroten Lettern nur ein Wort.
Deathbook.
Unter dem Schriftzug sah man die Maske mit den roten Fäden vor den Augen, darunter den Satz: Willkommen im Netzwerk der Toten.
In der Mitte der Seite war ein Foto zu sehen. Darüber stand:
Neuester Anwärter auf Mitgliedschaft.
Es handelte sich um die Porträtaufnahme eines Mannes mit hoher Stirn, dunkelblondem lichtem Haar und einem gepflegten, aber nicht sehr dichten Vollbart. Er trug eine Brille, lächelte und wirkte äußerst sympathisch. Unter dem Foto stand ein Name: Jan Krutisch. Dazu der Satz: «Wir sind gespannt, ob er unser Netzwerk bereichern wird. Lasst ihn uns willkommen heißen».
Das Foto des freundlichen jungen Mannes passte überhaupt nicht in den düsteren Rahmen der Seite. Und es war genau dieser Kontrast, der den Betrachter erschaudern ließ.
Auf dem schiefergrauen Untergrund der Seitenleiste waren die Reiter des Menüs untergebracht.
«Startseite / Tod 3 . 0 / Mitglieder / Videos / Fotos / Observierung / Feinde» stand da.
Hinter dem Reiter «Tod 3 . 0 » verbarg sich der Text, den mir Kathis Lehrer, Herr Altmaier gegeben hatte.
Klickte der Betrachter den Menüpunkt «Mitglieder» an, gelangte er auf eine Seite, auf der zwanzig Miniaturfotos abgebildet waren, zwei vertikale Reihen zu je zehn Fotos, Porträtaufnahmen. Die Menschen in der rechten Reihe wurden von unten nach oben immer jünger. Die unteren sechs Fotos zeigten hochbetagte Senioren. Alle anderen Fotos stammten von jungen Menschen – bis auf einen Mann, Mario Böhm, der mittleren Alters war.
Die linke Reihe zeigte dieselben Menschen – tot. Es waren grauenvolle Fotos von leblosen, bleichen Gesichtern. Nur eines fiel aus der Reihe: Es zeigte kein Gesicht, sondern eine abgetrennte, mit Blut verschmierte Hand.
Zwischen den beiden Fotoreihen standen Namen. Sie verbanden die vitalen, fröhlichen Fotos der Lebenden mit den grässlichen der Toten.
Die Namen konnte man anklicken.
Texte erschienen: Geburts- und Todesdaten, Lebensläufe, Familienstände, einfach alles, was man über die jeweilige Person wissen musste.
Unter dem
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