Deathbook (German Edition)
anderen Seite schob Manuela ihr Brett durch den Vorhang. Ich ließ mein Brett nicht los, sondern benutzte es, um die Ketten links von mir wegzuhalten. Die Nasenspitze nur wenige Zentimeter von dem stromführenden Metall entfernt, schob ich mich auf die andere Seite.
Dort sicherte Manuela mit ihrer Waffe einen kurzen, breiten Gang.
Am Ende hing ein weiterer Vorhang. So wie es aussah, bestand er aber aus Stoff. An der Wand hing ein mit einem Schloss gesicherter Sicherungskasten. Ein für diese Verhältnisse viel zu dickes und vor allem sehr neues Stromkabel führte hinein. Ein weiteres führte heraus und verschwand in einem Schacht im Fußboden. Sechs grüne Lämpchen flackerten an der Schalttafel des Kastens. Diese Anlage war hochmodern. Sie wollte so gar nicht in diese alte Halle passen.
Für die kleine Werkstatt mit der tödlichen Falle war sie bestimmt nicht gedacht.
An der Decke war deutlich sichtbar eine Kamera montiert. Die rote Aufnahmelampe leuchtete.
Ich deutete hinauf.
«Wir werden beobachtet», sagte ich.
«Dann weiß dieses Arschloch ja, was die Stunde geschlagen hat.»
Ich erkannte Manuelas Stimme kaum wieder. Sie klang böse und verbissen.
Wir gingen vor bis zum nächsten Vorhang.
Jetzt war deutlich zu erkennen, dass er aus dickem, schwerem Stoff bestand, aber ich traute dem Frieden nicht. Ich hielt das Brett noch in der Hand, schob es vor und teilte die beiden Stoffbahnen in der Mitte.
«Wie soll das bei Stoff funktionieren?», fragte Manuela. «Der würde doch verbrennen.»
«Ich will nur sichergehen», sagte ich.
Nacheinander schoben wir uns auf die andere Seite.
Manuela zielte in den Raum, doch da war niemand. Mittendrin stand ein geöffneter Sarg auf zwei Holzböcken. Er wirkte von weitem wie eingesponnen – erst als ich näher herantrat, sah ich, dass er komplett in Klarsichtfolie gehüllt war. Ich beugte mich darüber und bemerkte, dass die Folie von innen beschlagen war.
«Oh, verdammt», stieß ich aus. Sofort begann ich, an der Folie zu zerren und zu reißen, doch die Kunststoffschicht war zäh wie alte Lederhaut, ich bekam einfach kein Loch hinein.
Manuela fand auf einer Arbeitsplatte eine Schere, stach in die Folie und schnitt an der Sargkante entlang. Ich griff zu und riss die Hälften auseinander.
Darunter lag Jan Krutisch.
Seine Augen waren geschlossen, er sah aus wie tot. Auf seiner Stirn war mit einem Gurt eine kleine kompakte Kamera befestigt.
«Jan», schrie ich und rüttelte an ihm.
«Was ist mit ihm?», fragte Manuela.
«Ich weiß nicht.» Ich nahm seine Hand und tastete am Handgelenk nach seinem Puls, fand aber keinen. Ich versuchte es an der Halsschlagader.
«Ich spüre einen Puls, er lebt!», rief ich aus.
Der Puls war schwach, aber er war da. Ich rüttelte ihn, sprach ihn an und glaubte zu erkennen, wie seine Lider flatterten.
Plötzlich hörten wir ein Geräusch. Es schien aus dem Raum hinter einem weiteren Vorhang an der hinteren Wand des Raumes zu dringen. Türen schien es hier nicht zu geben.
«Bleib bei ihm», zischte Manuela. Dann schlich sie mit erhobener Waffe auf den Vorhang zu.
Sie hatte ihn kaum erreicht, da wurde er schon zurückgerissen. Ein großer Mann in weißer Kleidung erschien und sprühte Manuela etwas ins Gesicht. Manuela schoss, schlug dann aber eine Hand vors Gesicht und taumelte zurück.
In einer ersten Reaktion ließ ich mich zu Boden fallen, dann schnellte ich wieder hoch und sprang auf Manuela zu. Bevor ich sie erreichte, sackte sie in die Knie und ließ ihre Waffe polternd zu Boden fallen.
Ihr Gesicht war nass und klebrig, ein beißender Geruch lag in der Luft. Er vernebelte mir augenblicklich die Sinne. Ich griff nach der Waffe, fiel auf den Hintern und zog mich schnell zurück. Sofort wurde mir schwindelig und für einen Moment auch schwarz vor Augen. Doch das legte sich, als sich auch der Geruch verzog.
Dieses Schwein hatte Manuela betäubt! Und es war so schnell gegangen, dass ich den Mann nicht einmal richtig gesehen hatte.
Ich musste eine Entscheidung treffen. Manuela war betäubt, aber sie befand sich in keinem lebensbedrohlichen Zustand. Jan würde jetzt, wo er Luft bekam, sicher wieder zu sich kommen. Aber Ann-Christin würde in kurzer Zeit sterben, wenn ich ihr nicht half.
Ich stand auf und näherte mich dem Vorhang. Mit der Waffe am lang ausgestreckten Arm drückte ich die beiden Hälften des Vorhangs auseinander. Sie konnten nicht unter Strom stehen, das hatte der Mann gerade bewiesen. Ich war darauf
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