Deathbook (German Edition)
entdeckte am anderen Ende den offenen Durchgang.
Das Licht meiner Taschenlampe verlor sich in der Dunkelheit dahinter. Er schien in den flachen saalartigen Anbau zu führen, der mir draußen aufgefallen war. Ich hielt die Lampe in Brusthöhe und ging darauf zu. Zweimal fuhr ich herum, weil ich immer noch das Gefühl hatte, verfolgt zu werden, aber meine Sinne waren sicher nur überempfindlich.
Ich stand tatsächlich in einem kleinen Saal. Überall standen Möbel, hauptsächlich Regale, vollgestopft mit Büchern und Krimskrams. Kartons auf dem Fußboden, Hunderte Kartons. Eine riesige Spanplatte auf zwei Böcken diente als Schreibtisch. Darauf standen der Monitor und der Rechner. An beiden Geräten glomm die gelbe Stand-by-Leuchte.
Rechts neben dem Durchgang gab es einen Schalter. Ich betätigte ihn, und unter der Decke wurde eine nackte Glühlampe langsam heller. Das schwache Licht der Energiesparbirne reichte nicht einmal annähernd, um die Dunkelheit aus dem großen Raum zu vertreiben. Zwischen den Möbeln und in den Ecken blieben die Schatten hocken wie gefallene Engel in den Winkeln der Hölle.
«Herr Thaumann», versuchte ich es ein letztes Mal. Meine Stimme klang dünn.
Beim nächsten Schritt trat ich in etwas Klebriges.
Ich leuchtete hinunter. Eine braune, zähe Flüssigkeit.
Nein, nicht braun.
Rot.
Blut … das war Blut!
H inter einem mit Büchern vollgestopften Regal fand ich Thaumann. Er saß mit dem Rücken gegen einen Betonpfeiler gelehnt da, das Kinn war auf die Brust gesunken, seine Arme hingen schlaff herab, die Handflächen zeigten nach oben. Unter ihm hatte sich ein See aus Blut gebildet.
An beiden Armen sah ich tiefe und lange Schnitte, die von der Handwurzel bis hinauf zum Ellenbogen reichten. Es sah aus, als hätte Thaumann mehrere Male angesetzt. Zwischen seinen Beinen lag ein großes Küchenmesser. Der Holzgriff war blutverschmiert.
Lange stand ich einfach nur da und starrte die Leiche an. Ich schrieb Thriller, schreckte auch vor blutigen Szenen nicht zurück, aber eine Leiche hatte ich noch nie gesehen. Und noch nie so viel Blut! Ein Teil meines Verstandes sog jedes Detail auf und speicherte es ab, während der andere Teil angewidert und zutiefst schockiert war. Was mich schließlich aus meiner Trance riss, war die Katze. Geräuschlos kam sie in die kleine Halle, strich zwischen meinen Beinen hindurch, ging bis an den Rand des Blutsees vor, sah mich an und miaute.
Ich taumelte zurück.
Meine Gedanken rasten.
Das Blut war noch nicht geronnen, allzu lange konnte Thaumann noch nicht tot sein. Ich ließ den Lichtstrahl der Taschenlampe durch den unübersichtlichen Raum wandern, hierhin und dorthin, erschrak vor den vielen Schatten, konnte aber niemanden entdecken.
Hau ab!, schoss es mir durch den Kopf. Der Drang, all das hinter mir zu lassen, wurde übermächtig. Ich schob mich an der Blutlache vorbei in Richtung Flur. Die Katze beobachtete mich dabei und begann, ihre linke Pfote abzulecken. Wahrscheinlich klebte Blut daran.
Kathis Tod hatte wie ein Selbstmord ausgesehen. Jetzt stand ich in der Wohnung eines Mannes, der angeblich Informationen über Kathi hatte, und der Mann war tot. Augenscheinlich Selbstmord. Was, wenn es ganz anders war? Was, wenn der Täter, der das getan hatte, noch hier war? Vorhin im Flur – hatte mich da nicht ein Hauch im Nacken gestreift? War ich wirklich allein?
Die Polizei! Ich musste die Polizei rufen.
Ich steckte den Elektroschocker in die Hosentasche und zog das Handy hervor. Dabei fiel der Strahl meiner Taschenlampe auf einen Rechner. Das Gerät war noch immer auf Stand-by.
Ich zögerte. Mein Daumen schwebte über der Notrufnummer. Die Katze sah mich träge an. Ich musste an das Foto denken, auf dem Kathi ihre Katze Lady im Arm hielt. Mein Blick wanderte zwischen der Leiche, der Katze und dem Rechner hin und her. Obwohl ich am liebsten so schnell wie möglich abgehauen wäre, steckte ich das Handy wieder weg.
Ich würde die Polizei rufen, keine Frage. Aber auf ein paar Minuten mehr oder weniger kam es jetzt nicht mehr an. Wenn Thaumann die Informationen, die ich brauchte, auf seinem Computer hatte, wären sie für mich verloren, wenn die Polizei hier aufkreuzte. Ich hatte schon den Zugang zu Kathis Rechner eingebüßt, das durfte mir hier nicht noch einmal passieren.
Ich schlich auf den Schreibtisch zu. Wenn der Täter noch hier wäre, hätte er sich längst auf mich gestürzt, beruhigte ich mich selbst. Dennoch behielt ich die dunklen Ecken
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