Deathbook (German Edition)
hatte. Dafür sprach auch, dass er mich nicht weiter geschlagen hatte, als ich am Boden lag.
Ich ging auf Haus Nummer 11 zu.
Jetzt brannte ich noch mehr darauf, mit Thaunn zu sprechen.
An der alten hölzernen Haustür gab es nur zwei Klingeln, eine für Hack, die andere für Thaumann. Aus diesem Namen setzte sich also das Kürzel M. A. Thaunn zusammen! Ich wollte schon klingeln, zog meine Hand aber wieder zurück. Die Haustür war nicht geschlossen, sondern nur angelehnt. Eine dicke Kordel führte vom äußeren Türknauf zum inneren und verhinderte, dass die Tür ins Schloss fiel. Ich schob eine Hand in den Spalt und drückte die überraschend schwere Tür auf. Sie knarrte in den Scharnieren.
Im Hausflur roch es muffig nach Abfällen. Die Ursache dafür sah ich, als ich meine Taschenlampe einschaltete: Jemand hatte einen weißen Plastikbeutel mit Restmüll gleich neben der Haustür abgestellt. Die eine Seite des Beutels war aufgerissen, sicher von einer Katze. Feuchtes Kaffeepulver lag auf dem gefliesten Boden.
Ich machte einen Bogen darum und schlich auf die Wohnungstür an der linken Seite zu. Ein mit Paketband befestigtes Stück Pappe verriet, dass Thaumann in dieser Wohnung lebte. Alles wirkte sehr provisorisch, so als sei er entweder gerade erst eingezogen oder schon wieder auf dem Sprung hinaus.
Ich suchte nach einer Klingel, fand aber keine. Also klopfte ich.
Und zuckte zurück.
Die Tür bewegte sich. Ebenfalls nur angelehnt. In der Dunkelheit hatte ich den Spalt gar nicht bemerkt.
Der Zustand des Hauses und der Müll auf dem Flur ließen die Vermutung zu, dass hier niemand seine Tür abschließen musste, weil es nichts zu stehlen gab. Aber dieser Thaumann hatte sich gestern bei Facebook so versponnen, paranoid und verängstigt gegeben – der würde doch nicht einfach seine Tür offen stehen lassen.
Es sei denn, er beobachtete mich, seit ich aus dem Auto gestiegen war, und die geöffneten Türen sollten eine Einladung sein.
Ich griff in die Tasche meiner Jacke, holte den Elektroschocker heraus und schaltete ihn ein. Ein leises Fiepen und die kleine grüne Lampe meldeten seine Bereitschaft. Eine undefinierbare Angst kroch in mir empor, aber ich traute mir zu, die Situation zu meistern.
Also drückte ich die Tür auf und rief:
«Herr Thaumann? Ich bin es … Andreas Winkelmann. Wir sind verabredet.»
Keine Antwort.
Es war sehr still in der Wohnung. Niemand erlaubte mir einzutreten, trotzdem schob ich mich in den Flur. Ich hielt dabei den Atem an. Den Elektroschocker hatte ich in der Hand, um mich verteidigen zu können. Meine Taschenlampe malte einen Lichtkreis auf die gegenüberliegende Wand.
Plötzlich ein Schrei. Aus der Dunkelheit schoss etwas auf mich zu. Ich erschrak, taumelte zurück, stieß gegen das Türblatt und löste gleichzeitig den Elektroschocker aus. Zwischen den Elektroden zischte ein Blitz. Am Fußboden fauchte eine Katze an mir vorbei in den Hausflur.
Eine Katze … nur eine Katze. Eine Szene, wie sie in beinahe jedem Gruselfilm vorkam. Und ich hatte mich erschrocken wie ein kleiner Junge! Mein Herz raste wild.
Ich war drauf und dran, mich ein wenig zu entspannen, da fiel mir ein, dass in jedem Gruselfilm auf die Erleichterung sofort der nächste, diesmal gefährlichere Angriff folgte. Sofort brachte ich den Elektroschocker wieder auf Brusthöhe und leuchtete mit der Taschenlampe voran. Hinter mir im Flur hörte ich, wie sich die Katze mit dem Müllsack beschäftigte.
«Herr Thaumann, ich bin es, Andreas Winkelmann», versuchte ich es noch einmal.
Eine Antwort bekam ich auch dieses Mal nicht. Warum brannte in dieser verdammten Wohnung kein Licht? Ich fand einen Schalter neben einem Türrahmen und drückte ihn. Man hörte ein leises Klicken, sonst geschah nichts. War der Strom abgestellt oder einfach nur die Glühlampe defekt?
Ich trat einen schnellen Schritt vor und leuchtete in ein Zimmer, die Küche. Auf der Spüle stand ein wenig Geschirr, auf dem kleinen rechteckigen Tisch eine benutzte Tasse, ansonsten war alles aufgeräumt. Aus dem Wasserhahn tropfte Wasser in stetigem Rhythmus in einen bereits gefüllten Teller. Ein leises, enervierendes Geräusch.
Ich spürte einen Atemhauch in meinem Nacken und fuhr herum.
Nein, da war niemand.
Ich hatte keine Lust mehr auf dieses Spielchen.
«Herr Thaumann, mir reicht es. Wenn Sie nicht mit mir sprechen wollen, gehe ich wieder», rief ich laut in die Wohnung.
Ich trat in den langen Flur zurück, sah mich um und
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