Deathbook (German Edition)
realen nicht verschwand, war das dann nicht auch eine Form der Unsterblichkeit?
Solche und ähnliche Fragen geisterten durch meinen Kopf, als ich mich durch Kathis Rechner wühlte. Einige Stunden hatte ich bereits darauf verwandt. Mitternacht war längst vorbei. Nur Kaffee hielt mich wach. Mein Herz raste, ich hatte Kopfschmerzen, und mein Magen nahm mir das Gebräu übel.
Zuallererst hatte ich natürlich nach weiteren Videos gesucht, aber keine gefunden. Die beiden, die ich schon kannte, waren die einzigen – es sei denn, Kathi hätte Videos auf ihr Handy geschickt bekommen. Das konnte ich leider nicht überprüfen. Ebenso hatte ich die Augen aufgehalten nach weiteren Mails von diesem ominösen Anima Moribunda – erfolglos. Kathis Rechner war unorganisiert und zugemüllt. Fast wie der sprichwörtliche Heuhaufen, in dem man eine Nadel suchte.
Dann hatte ich das Office-Programm durchsucht und die Datei des Textes gefunden, den mir Franz Altmaier als Ausdruck überlassen hatte. Auch hier kein Hinweis darauf, ob Kathi ihn selbst geschrieben oder heruntergeladen hatte. Abgespeichert hatte Kathi den Text vor vier Monaten, also genau zu der Zeit, in der sie sich in der Schule mit dem Todesprojekt beschäftigt hatte. Kathi war zwar vom Thema fasziniert gewesen, aber sie war nicht allein, sondern durch das Schulprojekt darauf gekommen. Und während sie dafür recherchiert hatte, musste etwas passiert sein. Nur was? Hatte sie etwas entdeckt, was geheim bleiben sollte? Oder hatte sie einfach nur einen der unzähligen Psychopathen da draußen auf sich aufmerksam gemacht?
Nach einer Weile entdeckte ich in dem lange nicht mehr gelöschten Verlauf ein interessantes Kürzel und klickte es an.
Es führte mich auf einen Blog.
«Posten und Sterben» hieß er.
Nachdem ich mich dort ein wenig umgesehen hatte, kam ich zu dem Schluss, dass der Verfasser des Blogs nicht ganz dicht sein konnte. Das meiste, was er schrieb, war ausgemachter Unsinn. Allerdings wies er immer wieder auf die Gefahren des Internets hin, vielleicht hatte er doch noch einen Rest Verstand.
Es gab ein Kommentarfeld für Besucher. Plötzlich war mir danach, dort meine Meinung zu hinterlassen, also tippte ich sie ein.
Danach kopierte ich den Link zum Blog, loggte mich in meine Fanpage bei Facebook ein und kopierte den Link in eine Statusmeldung. Dazu schrieb ich einen kurzen Text und postete alles. Ich wollte wissen, was meine Facebook-Freunde darüber dachten.
Ich wollte mich schon wieder ausloggen, da fiel mir etwas ein. Bisher hatte ich mich noch gar nicht mit Anima Moribunda beschäftigt. Das musste ich sofort nachholen.
Ich gab den seltsamen Namen in das Suchfeld ein.
Facebook lieferte mir nur einen einzigen Treffer.
Das Profilbild war ein elfenbeinfarbener Totenkopf mit schwarzen Augenhöhlen. Er hatte nur eine Handvoll Freunde, die ich nicht kannte. Angeblich stammte Anima Moribunda aus einem Ort namens Hölle in Bayern. Er hatte ein paar Seiten geliked, unter anderem «Die Toten Seelen» und «Der Tod». Das hier jemand mit einem Klischee spielte, war nur allzu offensichtlich.
Die Posts, die der Typ hinterlassen hatte, jagten mir allerdings einen kalten Schauer über den Rücken.
Anima Moribunda
Ich kenne die Menschen gut. Weiß darum, wie schnell sie vom Weg abkommen. Wie leicht sie sich verführen lassen. Der Weg ins Gewissen ist schmal und steinig, und die Abgründe rechts und links sind tief. Niemand geht gern dort entlang. Ich aber kann dich führen, kann dich sicher auf die dunkle Seite bringen, in der alles Licht überflüssig ist, denn hier musst du nichts weiter erkennen als dich selbst.
So etwas schrieb man nicht, wenn man sich nicht vorher intensiv mit dem Thema Tod auseinandergesetzt hatte. Und der nächste Post ließ mich einen Blick in die Gefühlswelt dieses Anima Moribunda werfen.
Anima Moribunda
Es widert mich an, wie dumm und egoistisch die User im World Wide Web sind. Jeder glaubt, sich über den anderen stellen zu können. Dabei ist Erhöhung auf Kosten anderer nichts als Schwäche. Kritisieren, denunzieren, rezensieren, das ist alles, was sie können, diese aufgeblasenen Schwachköpfe. Wie ich sie hasse!
Oh Mann! Der Typ schien wirklich nicht ganz dicht zu sein.
Ich fand noch einen Link zu einer Seite mit Gothic-Gedichten, zu einer Band, die sich «Schlafes Bruder» nannte, was ja bekanntlich ein anderer Name für den Tod ist, sowie zu «Stayalive.com – Portal für digitale Unsterblichkeit».
Ich klickte den Link
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