Deathbook (German Edition)
dabei fest umklammert.
Vor der überdachten Haustür lag ein Kuvert.
Ein tiefschwarzer Briefumschlag.
Ich nahm ihn auf und fühlte im Inneren ein Kärtchen von der Größe einer Visitenkarte.
Merkwürdig, dachte ich und nahm den Umschlag mit hinein. Noch im Flur riss ich ihn auf und nahm das Kärtchen heraus.
Es bestand aus festem Karton und war beidseitig schwarz. Auf der einen Seite war ein rotes Quadrat aufgedruckt. Auf diesem Quadrat schwebte eine schwarze Maske. Darunter war in großen roten Buchstaben ein Schriftzug abgedruckt.
Deathbook.
Auf der anderen Seite der Karte befand sich ein QR -Code.
Ich zog mein Handy hervor, öffnete die Scan-App und scannte den Code ab.
Nach kurzer Wartezeit öffnete sich ein Video.
Unheilvolle Musik setzte ein, ich glaubte, einen Herzschlag zu hören. Ein quietschendes Geräusch, das sich tief in meinen Kopf bohrte. Und dann tauchte eine Gestalt mit einer unheimlichen Maske auf. Es war die gleiche Maske wie auf der Visitenkarte.
Die Musik wurde leiser, und die Maske sprach zu mir.
«Du bist jetzt Mitglied im Deathbook. Leiste deinen Beitrag. Nimm ein Video auf, wie ein Mensch stirbt, und lade es hoch. Verweigerst du deinen Beitrag, nehmen wir ein Video auf, wie DU stirbst.»
Die silbrige, metallisch glänzende Zunge suchte sich beharrlich ihren Weg. Sie schob Staub und Schmutz vor sich her und tastete sich vor, schmiegte sich sanft an Erhöhungen und nahm Umwege, wo Barrieren sie dazu zwangen. Mitunter teilte sie sich, umspülte Hindernisse und schloss sich dahinter wieder.
Von irgendwoher fiel Licht auf den Boden. Ein heller, gebündelter Strahl. Das Licht offenbarte ihre wahre Beschaffenheit. Sie bestand nicht aus flüssigem Metall, sondern aus Wasser.
Immer mehr Wasser folgte der Zunge in ihrem schmalen Kanal und suchte sich seinen Weg durch die leicht abschüssige Halle. Der Boden bestand aus rissigem Beton, bedeckt von einer roten Ölfarbe, die im Laufe der Jahre aufgeplatzt war und den Beton mit einem marmorierten Muster überzog. Dort verzweigte sich die Zunge und bildete dünne Rinnsale.
Der See, aus dem sich der Hauptstrom speiste, lag weiter oberhalb in gleißend hellem Licht. Von einem starken Scheinwerfer, der auf einem dreibeinigen Stativ stand, bohrte sich ein brennend heißer Balken durch die Dunkelheit. Staubkörner tanzten darin, blitzten auf und verglühten wie Asteroiden in der Atmosphäre der Erde.
Aber der See war nicht das Ziel des Lichts.
Der Scheinwerfer war auf einen quadratischen Block gerichtet. Ein glitzernder, funkelnder Block aus Wasser und Luft, der in der künstlichen Sonne von Sekunde zu Sekunde seine Konsistenz änderte. Eis wurde zu Wasser, füllte den See und die Kanäle, bevor es in einem verrosteten Gully versickerte.
Es ließ sich nur erahnen, wie groß der Block gewesen war, bevor der Scheinwerfer sein Werk begonnen hatte. Sicherlich war er hoch genug gewesen, dass die nackten Füße darauf einen festen Stand hatten finden können. Der war ihnen aber längst genommen. Die kleinen, zarten Frauenfüße standen auf den Ballen und drückten den Körper hoch. Immer abwechselnd, einmal rechts, einmal links, dann wieder beide zugleich. Auf der nassen, glitschigen Oberfläche des Eisblocks rutschten sie immer wieder ab, und dann versuchten die Füße verzweifelt tastend neuen Halt zu finden.
Der Eisblock verlor stetig an Masse. Er schmolz dahin, wurde kleiner und niedriger.
Die Muskeln in den nackten Beinen waren vom ständigen Kampf längst verhärtet. Schweiß glänzte darauf im heißen Licht des Scheinwerfers. Silbrige Perlen liefen an der Haut hinab. Das Mädchen trug kurze graue Shorts und ein weißes, eng anliegendes Top. Die Arme waren auf dem Rücken mit braunem Paketband zusammengeklebt. Über dem Mund klebte ein weiterer Streifen. Das lange Haar und das Gesicht waren nass von Schweiß, die Augen weit aufgerissen.
Um den Hals des Mädchens lag ein kräftiger Sisalstrick. Er war mehrfach darum geschlungen, sodass das raue Material die Haut gänzlich bedeckte. Hinter dem Kopf des Mädchens führte der Strick hinauf zu einem Metallträger der Deckenkonstruktion der Halle.
Das Mädchen war am Ende seiner Kräfte. Zu lange schon dauerte der Überlebenskampf. Aber sie spürte, dass der Kampf bald vorbei sein würde. Dass sie ihn verlieren würde. Die Zehen rutschten und tasteten auf dem Eis, die Waden verkrampften sich, der Körper schaukelte hin und her. Immer häufiger verlor sie den Kontakt zum Untergrund. Dann legte
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